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Abenteuer Aragonien am Fuße der Pyrenäen

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Mallos de Riglos
Mallos de Riglos

Wechselvolle Landschaft

Es sind nicht gerade die klassischen Urlaubsregionen Spaniens, die uns faszinieren. Aber wo befinden wir uns hier eigentlich? Aragonien (Aragon) liegt westlich von Katalonien an der Südflanke der Pyrenäen und gehört nicht gerade zu den reichen und von Touristenströmen bevölkerten Gegenden Spaniens, aber das macht es vielerorts so reizvoll. Unsere Unterkunft lag in einer sandigen Ebene zwischen den Örtchen Murillo de Gállego und Ayerbe in der Provinz Huesca. Entsprechend bewegten wir uns meist in der Sierra de Guara, einem Teil der Vorpyrenäen, die uns mit einigen ganz besonderen Eindrücken nachhaltig in Erinnerung blieb. Die Landschaft wechselt hier unvermittelt ihr Gepräge zwischen wüstenartiger Ebene und steilen Felswenden der Sierra.

Mallos de Riglos und der Río Gállego

Dort, wo die beiden Landschaftsformen aufeinander treffen, tritt der Río Gállego in einer engen Schlucht aus dem Gebirge. Hier ragen die Mallos de Riglos wie rot glühende Monolithen 300 Meter in den blauen Himmel. Eine Bilderbuchkulisse und ein Paradies für Kletterer und Naturliebhaber! Meist werden die Kalksteinfelsen von Geiern umrundet, die sich in den Pyrenäen sehr wohl fühlen und daher zahlreich tummeln.

Und dann ist da der Río Gállego mit seinen Stromschnellen, der die richtige Kulisse für Rafting-Abenteuer bietet. Im Überfluss findet man entsprechende Angebote in Murillo de Gállego etwas südlich der Mallos. Die Guides machen sich einen wahren Spaß daraus, den nichtsahnenden Touristen an seine Grenzen zu führen, inkl. absichtlichem Kentern des Schlauchbootes auf dem reißenden Fluss. Trotzdem oder gerade deshalb eine absolute Empfehlung für Wagemutige. Das kühle Nass ist in den Neoprenanzügen durchaus angenehm in der sommerlichen Hitze der Sierra.

Das Castillo de Loarre

Castillo de Loarre, schon mal gehört? Nein? Aber dann vielleicht schon mal gesehen, denn die äußerst gut erhaltene romanische Burganlage gehört nicht nur zu den bedeutendsten Baudenkmälern Spaniens, sondern diente auch als Filmkulisse im 2005 gedrehten Spielfilm Königreich der Himmel. Majestätisch thront der weitläufige Komplex mit prägnanter Ringmauer über der weiten Ebene. Nur wenige Besucher verirren sich hierher in die spanische Provinz. Das macht den Besuch umso stimmungsvoller.

Castillo de Loarre
Castillo de Loarre

Man betritt das Burgareal durch ein von massiven Rundtürmen flankiertes Tor. Vor uns liegt die vielschichtige Kernburg, aus der die gewaltige Apsis der Burgkapelle mit reicher Gliederung heraussticht. Bereits bei diesem Anblick erahnt man, dass der Kirchenraum bemerkenswerte Ausmaße besitzen muss und von einer Krypta unterfangen wird. Die Kernburg erreicht man schließlich über eine steile Treppe, die sich hinter einem mit reicher Bauplastik versehenen Portal verbirgt. Die gewaltige Trompenkuppel der Kapelle ist selbst für meinen kunsthistorisch äußerst geschulten Blick ein wahrer Augenschmaus.

In dem mehrstöckigen Labyrinth an Gängen, Treppen, Räumen und Türmen der Burg ist es nicht leicht, die Orientierung zu behalten. Belohnt werden wir aber mit immer wieder neuen Eindrücken und Aussichten auf Burg, Ringmauer und Landschaft. Höhepunkt dieser Zeitreise sind schließlich die Steinadler und Geier, die in Wurfreichweite unseren Ausguck auf dem höchsten Turm der Burg umrunden, als hätten sie noch nie einen Menschen erblickt. Dabei ist es ja eher umgekehrt.

Das Castillo de Marcuello

Das Castillo de Marcuello, das wir spontan ansteuerten, weil es ganz in der Nähe von Loarre liegt, ist ein wahrer Geheimtipp. Und wir sollten den Abstecher nicht bereuen. Das Castillo ist im Dorf Sarsamarcuello durch ein unscheinbares Holzschild ausgewiesen. Lange haben wir gezögert, den steinigen Feldweg wirklich zu befahren. Ein Allradantrieb wäre von Vorteil gewesen auf der steilen und kurvenreichen Strecke. Oben angekommen wurden wir von einem fantastischen Rundblick und einer historischen Kulisse in einsamer Bergwelt belohnt. Auf einem exponierten Bergsporn erheben sich eine romanische Kirche und die Ruine eines Donjons. Etwas abseits, nahe des Fahrweges, steht ein weiterer romanischer Kirchenbau, der das Szenario komplettiert.

Castillo de Marcuello
Castillo de Marcuello

Und es ist äußerst lohnenswert nicht bereits hier den abenteuerlichen Rückweg anzutreten, sondern dem Weg einige Kilometer weiter zu folgen. Man erreicht schließlich den Mirador de los Buitres (übersetzt: Aussichtspunkt der Geier), von wo man von einer Plattform einen fantastischen Panoramablick auf die Mallos de Riglos gewinnen kann. Entlang der angrenzenden Felswände schweben unzählige Geier lautlos durch Lüfte. Ein majestätischer Anblick, den man nicht so schnell vergisst!

San Adrián de Sásave und Santa María de Iguácel

Von den zahlreichen romanischen Kirchen, die durch ihre einsame Lage wie einer weit entfernten Zeit entrissen wirken, sind mir zwei in besonderer Erinnerung geblieben: San Adrián de Sásave in Borau und Santa María de Iguácel in Larrosa. Beide liegen bereits in den bewaldeten grünen Südhängen der Hochpyrenäen nördlich der Stadt Jaca fern jeder menschlichen Zivilisation. In den abgelegenen Pyrenäentälern Aragoniens finden sich unzählige Wüstungen. Halb verfallene Dörfer, deren letzte Bewohner Katzen, halb verwilderte Hunde und Geier sind, sowie einsam und abseits in der Bergwelt stehende Kirchen sind hier an jeder Ecke zu entdecken, insofern man sie über abenteuerlichen Wegstrecken findet und auch unbeschadet erreicht.

San Adrián de Sásave liegt nördlich des Dorfes Borau am Ende eines Pyrenäentales. Erreichbar ist die Kirche durch einen schmalen Fahrweg, der dort endet. Von der Straße muss man das Flüsschen Lubierre überqueren, um die Kirche zu erreichen – bei entsprechendem Wasserstand eine gewagte Angelegenheit. Die Kirche selbst wirkt ein wenig versunken, da das umgebende Bodenniveau im Laufe der Zeit enorm angestiegen ist. Und tatsächlich wird der Innenraum des kleinen pittoresken Gotteshauses regelmäßig vom vorbeifließenden Wasser überschwemmt. Spuren davon ließen sich auch bei unserem Besuch erkennen.

Und eine weitere Überraschung erwartete uns: Als ich den Hang hinter der Kirche erklomm, um Aufnahmen der Apsis zu machen, wurde ich plötzlich von Schafen umringt. Sie strömten den Berg herunter und bevölkerten kurz danach die Flächen rund um die Kirche: ein für unsere Augen ungewöhnliches Szenario, das sich hier aber vielleicht seit Jahrhunderten häufig wiederholt. Und dann wurden wir Zeuge der Geburt eines Lammes. Welch deutungsschwangerer Moment: Wir stehen in Niemandsland an der verlassenen Kirche eines ehemaligen Klosters und unmittelbar daneben erblickt das Lamm (Gottes) das Licht der irdischen Welt. Mehr Spiritualität geht nicht!

Der Weg zu Santa María de Iguácel ist noch abenteuerlicher als zum Castillo de Marcuello. Die Wegstrecke wird immer schlechter und wir passieren verlassene Dörfer mit verfallenen Kirchenbauten. Irgendwann ist man vollkommen allein im Tal und bewegt sich auf dem steinigen Untergrund immer langsamer voran. Mehrfach überqueren wir den begleitenden Río Ijuez über eine Furt. Es liegt so viel Geröll herum, dass man sich nicht ausmalen möchte, mit welcher Wucht sich das Wasser im Frühjahr bei der Schneeschmelze den Weg vom Hochgebirge ins Tal bannt. Ich würde glauben, dieser Weg ist mehrfach im Jahr nicht passierbar.

Vor der letzten Furt geht es mit dem Auto nicht mehr weiter, es schafft den steinigen Untergrund nicht mehr. Die letzte Wegstrecke legen wir zu Fuß zurück, um schließlich unvermittelt vor einem einsamen Gotteshaus zu stehen. Es dürfte die Nähe zum legendären Jakobsweg sein, die den beachtlichen romanischen Skulpturenschmuck am Außenbau hervorbrachte.

Kloster San Juan de la Peña

Wem die beschriebenen Zuwegungen zu abenteuerlich erscheinen, der kann aus der Fülle romanischer Baudenkmäler in Aragonien weitere wunderschöne Beispiele auswählen. Ein absolutes Highlight und ein Muss für Kulturinteressierte ist das in eine Felsenwand gebaute Kloster San Juan de la Peña mit vorzüglichem romanischem Kreuzgang.

Was für ein Abenteuer in den spanischen Pyrenäen!

Dieser Blogpost entstand als Beitrag für die Blogparade Momente für die Ewigkeit – Deine schönsten Erlebnisse auf Reisen, organisiert durch Andreas Hohmann von reisewut.com.

9 Kommentare zu “Abenteuer Aragonien am Fuße der Pyrenäen

    1. In der Tat hat diese Region etwas Urtümliches. Die Kehrseite sind die vielen verlassenen Dörfer. Eine kleine Kirche, die wir besuchten, lag in einem Dorf, in dem zwar noch mehrere Dutzend Häuser standen, in dem aber nur noch eine Handvoll Menschen lebten. Das Szenario war etwas gespenstisch, als wir über den halb zugewachsenen Friedhof an der Kirche schlichen.

  1. Wunderschön, endlich noch ein Aragonien Fan. Eine sehr ursprüngliche Region, was wir im Januar ebenfalls so wie ihr hier empfunden haben. Dabei haben wir auch die Pyrenäen und mehrere Orte in Andorra erkundet. Im Sommer wollen wir gerne mal wieder kommen, so angetan waren wir. Schön, dass ihr auch über diese Region berichtet.

    1. kann man denn irgendwo ein Buch über Aragon oder die Sierra de Guara bekommen? Es ist etwas schwierig Wandertouren zu planen, wenn man nicht einmal über die Wegbeschaffenheit bescheid weiß

  2. Ich habe schon einige Orte in Spanien besucht. In Aragonien war ich bis jetzt noch nicht. Wirklich sehr interessant.

    Für mich sind außerdem oft die weniger besuchten Orte interessanter, da zu große Touristenströme einfach nur anstrengend sind. Man kann sich in Ruhe Zeit nehmen Kunst und/oder Natur zu betrachten… Danke für den Tipp 🙂

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