Inhalt
Stadtgeschichte vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit
Es waren die Schaumburger Grafen, die Stadthagen Anfang des 13. Jahrhunderts nördlich des Bückeberges, einem Ausläufer des Weserberglandes, planmäßig als militärischen Stützpunkt sowie Wirtschafts- und Verwaltungszentrum anlegten. Für das späte 13. Jahrhundert ist der Name Grevenalveshagen (Graf Adolfs Hagen) bezeugt. Später setzte sich die heutige Bezeichnung durch. Das Stadtrecht erhielt die Siedlung allerdings erst 1344.
Mit dem Ausbau des Schlosses Anfang des 16. Jahrhunderts erlebte Stadthagen seine Blütezeit. Die Stadt wurde Sitz der Landesverwaltung und die bevorzugte Residenz der Schaumburger. Doch schon 1608 verlegten diese den Regierungssitz in das nahe gelegene Bückeburg. Trotz der damit verbundenen Stagnation in der Entwicklung des Ortes blieb Stadthagen weiterhin Begräbnisort der Grafen bzw. Fürsten des Hauses. Heute präsentiert sich das hübsche Stadtbild vor allem mit zahlreichen Bauten der frühen Renaissance. Das ist Grund genug, die etwas verkannte Altstadt Stadthagens gemeinsam zu erkunden.
Der Schlosskomplex
Die erstmals 1244 belegte Wasserburg am südlichen Altstadtrand wich ab 1534 unter der Regentschaft von Graf Adolf XI. einer großzügigen Vierflügelanlage. Als Baumeister ist der aus Schwaben stammende Jörg Unkair bezeugt, der die frühe Renaissance im Weserraum entscheidend prägte. Zu seinen Hauptwerken zählen unter anderem das Schloss Neuhaus bei Paderborn und das Detmolder Schloss. Charakteristisch für Unkairs Architektur sind halbkreisförmige Giebelformen mit Kugelbesatz, spätgotisch anmutende Portal- und Fensterrahmungen mit sich durchdringender Stabgliederung sowie die Verzierung von Treppentürmen mit kräftigen Rundstäben an den Ecken.
Die Schlossanlage in Stadthagen, die zu den Initialbauten der Weserrenaissance zu zählen ist, wird malerisch umgeben von zahlreichen Wirtschaftsgebäuden und Hofbauten des 16. Jahrhunderts. Unmittelbar an der Schlosszufahrt steht das sogenannte Kavalierhaus. Nordwestlich schließen sich Marstall und Zehntscheune als Wirtschaftsgebäude an. Westlich des Schlosses entstand Mitte des 16. Jahrhunderts die sogenannte Amtspforte, der Amts- und Gerichtssitz des Landesherrn, als stattlicher Fachwerkbau mit reicher Ornamentik und vorkragenden Geschossen. Der Schlosspark mit dem gräflichen Lusthaus schließt sich östlich und südlich des Schlosses an.
Altstadt
Marktplatz mit Rathaus
Das Rathaus am Ostende des Marktplatzes ist ein langgestreckter Bruchsteinbau und wurde 1529 erstmals als Zeughaus erwähnt. Es ersetzte Ende des 16. Jahrhunderts funktional ein mittelalterliches Rathaus, das in unmittelbarer Nachbarschaft stand. Die Marktfront wird von drei Erkern und zwei Zwerchhäusern in reichen Renaissanceformen akzentuiert. An letzteren und den Giebeln der Schmalseiten finden sich die vom Schloss bekannten Halbkreisaufsätze mit Kugelbesatz in der Tradition Jörg Unkairs. Die Ostfassade zur Niedernstarße ziert eine 1596 datierte und 1612 erweiterte Auslucht, deren Doppelgiebel mit Beschlagwerk, Bossen und Obelisken besetzt ist.
Am Markt 4 steht das aufwändigste Bürgerhaus Stadthagens aus Stein. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde hier eine Auslucht vor einen etwas älteren Baukörper gesetzt, der ins Jahr 1586 dendrodatiert werden kann. Die Giebel sind mit reichen Renaissanceornamenten wie Obelisken, Kartuschen, Voluten und Ziersäulchen besetzt.
Der Marktplatz wartet zudem mit einer Reihe von Fachwerkbauten auf, deren Bestand jedoch nicht geschlossen ist. Am prächtigsten zeigt sich der ehemalige Gildenhof am Markt 8. Das in das Jahr 1573 datierte Gebäude zeigt sich mit den für das 16. Jahrhundert typischen halbkreisförmigen Fächerrosetten und vorkragenden Obergeschossen. Ähnliche Fassaden finden sich in der Niederstraße 42 und 48. Bemerkenswert ist auch das Haus Markt 21 aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, das großflächig mit Beschlag- und Ohrmuschelwerk besetzt ist.
Lateinschule und Landsbergscher Hof
Östlich der Martinikirche, der zentralen Stadtpfarrkirche, treffen wir auf die Alte Lateinschule. Das Gebäude wurde 1565 bis 1568 durch Jakob Kölling, der möglicherweise auch am Rathausbau beteiligt war, errichtet. Die Tradition einer Lateinschule geht in Stadthagen bereits bis ins 14. Jahrhundert zurück.
Der zwischen Kirche und Residenzschloss stehende Landsbergsche Hof ist ein typischer Vertreter der Freihöfe, in denen sich der Ministerialadel am Rande der Altstadt entlang der Stadtmauer ansiedelte. Das im Kern aus dem 16. Jahrhundert stammende Haupthaus ist um 1532 durch Otrave von Landsberg errichtet und im 18. Jahrhundert umgestaltet worden. Die Hofsituation mit den Nebengebäuden ist bis heute überkommen und bildet einen malerischen Ort.
Grabmäler in der St.-Martini-Kirche
Grabmal Graf Ottos IV.
Die Martinikirche präsentiert sich entsprechend der regionalen Bedeutung Stadthagens im Mittelalter als bescheidene gotische Hallenkirchen. Dem Aufstieg der Stadt zur Residenz der Schaumburger ist zu verdanken, dass die Kirche im 16. und 17. Jahrhundert reich ausgestattet wurde. Um 1580 ist das monumentale Grabmal Graf Ottos IV. und seiner zwei Gemahlinnen zu datieren. Die Verstorbenen knien in einer Nischenarchitektur, der eine korinthische Kolonnade vorgelagert ist. Darüber sind drei Ädikulen mit christologischen Reliefs gesetzt. Das Grabmal spiegelt die Bedeutung des Grafen für Stadthagen wider. In seiner Regentschaft ist der Ort zur Residenz der Schaumburger ausgebaut worden.
Mausoleum des Grafen Ernst
Von überregionalem Rang ist aber vor allem das Mausoleum für den Grafen Ernst und seine Familie, das ab 1619 als monumentaler heptagonaler Zentralbau dem Chorscheitel der Kirche östlich vorgesetzt und mit dieser durch einen schmalen Gang verbunden ist. Bekrönt wird der Kuppelbau mit einer Laterne. Der Typus geht auf die Fürstenkapelle der Medici an San Lorenzo in Florenz zurück und ist im frühen 17. Jahrhundert in Deutschland ohne Parallele.
Gerade der Innenraum mit seiner Verbindung der architektonischen, plastischen und malerischen Elemente war hierzulande einzigartig. Die Wandflächen werden durch kannelierte Pilaster gegliedert. Zwischen ihnen sind in den östlichen Wandabschnitten Ädikulen mit freistehenden korinthischen Säulen und Dreiecksgiebiel gesetzt. Darüber halten Putti Wappenkartuschen der verstorbenen Familienmitglieder. Die Komposition ist der italienischen Hochrenaissance entlehnt.
Gekrönt wird die Gestaltung des Mausoleums durch die zentrale Auferstehungsgruppe, die Adriaen de Vries, einer der bedeutendsten Bildhauer jener Zeit, wenige Jahre zuvor geschaffen hatte. Der auf Löwenfiguren ruhende mittige Alabastersarkophag ist Kenotaph des Fürsten und das Grab Christi zugleich. Er wird umgeben von Bronzebildwerken, darunter die vier Wächterfiguren und der auferstandene Christus obenauf. Die Expressivität der Figuren harmoniert in seltener Vollkommenheit mit der Architektur des Mausoleums. Vor uns steht eines der großartigsten Kunstwerke der europäischen Hochrenaissance. Dieses allein macht einen Besuch Stadthagens lohnenswert.
Auf so gründliche Weise etwas so Schönes im Internet gezeigt zu bekommen, ist wohl eher selten.
Ich bedanke mich für dieses außergewöhnliche Lob.
Als gebürtige Bückeburgerin bin ich eine der Verkennenden aus dem zweiten Absatz. In zehn Jahren Bloggen mit einer guten Portion Lokalpatriotismus habe ich es zu keinem Artikel über Stadthagen gebracht, weil es gefühlt nicht genug hergibt. Wie gründlich ich nun eines Besseren belehrt wurde! 🙂 Und wie schön, dass ich über Teilzeitreisender ein so interessantes Blog gefunden habe!
Ich danke dir für die lobenden Worte! Ich bin immer wieder gerne im Schaumburger Land. Vielleicht stelle ich bei Gelegenheit auch noch Rinteln vor. Ich habe hier aber noch so viel Material liegen, dass andere Themen vorerst Vorrang haben.