Home / Alle Artikel / Besuch im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg

Besuch im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg

Posted on
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg - Renaissance
Abteilung Kunst und Gewerbe der Renaissance

Kunstgewerbe und Online-Sammlung

Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe ist eines der ältesten seiner Art im deutschsprachigen Raum und gehört zu den bedeutendsten Museen in Hamburg. Natürlich stand das 1874 gegründete Haus deshalb auf unserer Agenda. Mit seinen zahlreichen Sammlungen und Sonderausstellungen ist es auch für den fleißigsten Museumsgänger eine ganztägige Herausforderung. So kann jeder Besucher und jede Besucherin sicher ihre eigenen Schwerpunkte setzen.

Mich zog es vor allem in die Abteilungen, die sich auf den europäischen Kontext beziehen. Die durchaus beeindruckenden Sammlungen zu Ostasien und zur Islamischen Kunst sind dabei ebenso wie die Sonderausstellungen auf der Strecke geblieben. Als durchaus hilfreiche Ergänzung kann daher die Online-Sammlung des Museums dienen. Das Stöbern darin macht wirklich Lust auf einen Besuch des Hauses!

Die Sammlungen

Die Ausstellungen verteilen sich auf insgesamt drei Stockwerke, wobei manche Sammlungen so umfangreich sind, dass sie – wie die Musikinstrumente – auf mehreren Ebenen präsentiert werden. Überhaupt ist die Orientierung in dem Gebäude nicht immer einfach, denn eine durchgängig chronologische Einteilung ist aufgrund der Vielfältigkeit der Sammlungsbestände nicht immer realisierbar. Insofern war der Lageplan des Hauses unser ständiger Begleiter. Aus folgenden Sammlungen werden die Ausstellungen gespeist:

  • Antike
  • Buchkunst
  • Europäisches Kunsthandwerk und Skulptur
  • Fotografie und neue Medien
  • Grafik und Plakat
  • Islamische Kunst
  • Kunstgewerbe und Design
  • Mode und Textil
  • Musikinstrumente
  • Ostasien

Rundgang durch die Ausstellungen

Aus meinem Rundgang durch die vielfältigen Abteilungen möchte ich drei Bereiche vertiefen, die mein besonderes Interesse geweckt haben – sei es durch die Art der Präsentation, ihren Umfang oder ihren künstlerischen Wert. Es sind die Abteilungen Musikinstrumente, Wohnkultur vom Barock bis zum Historismus sowie die Abteilung Jugendstil. Andere Bereiche kann ich hier nur summarisch streifen.

Musikinstrumente

Mit rund 600 Objekten aus fünf Jahrhunderten ist die Sammlung der Musikinstrumente wahrlich ein Schwerpunkt des Museums, der weniger Musikinteressierte auch visuell begeistern kann. Die erste der beiden Abteilungen im Erdgeschoss zeigt vor allem Cembali. Im ersten Obergeschoss stehen ebenfalls Tasteninstrumente im Mittelpunkt, wobei die Entwicklung des Klavierbaus bis hin zum Konzertflügel veranschaulicht wird. darüber hinaus finden sich einige Streich- und Blasinstrumente in der Ausstellung. Besonderer Tipp: Es existierte eine eigene App nur für die Instrumentensammlung des Museums, die ein vertieftes Verständnis für die Entwicklung des Instrumentenbaus schafft.

Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg - Musikinstrumente
Ausstellung von Musikinstrumenten

Das Cembalo

Das Cembalo unterscheidet sich vom Klavier dadurch, dass die Saiten nicht mit Hämmerchen angeschlagen, sondern gezupft werden. Der Cembalobau hatte seine Blütezeit im 15. bis 18. Jahrhundert. Spinette, Virginale und Clavichorde, wie sie ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind, waren artverwandte Instrumente. Das wichtigste Zentrum des Cembalobaus war Italien, wo die Instrumente seit 1419 hergestellt wurden. Später kamen auch Flandern und Frankreich hinzu. In Deutschland wurde die Handwerktradition durch den 30jährigen Krieg unterbrochen. Im 18. Jahrhundert bildeten sich aber regionale Schulen aus.

Typische Merkmale italienischer Cembali waren die langgestreckte Form und die leichte Bauweise, weshalb sie häufig in einem Schutzkasten aufbewahrt wurden. Letztere waren gerne reich verziert. Auf den Innenseiten der Deckel finden sich nicht selten Landschaftsbilder. Die wenigen erhaltenen frühen Exemplare aus Deutschland orientierten sich im Wesentlichen an den italienischen Vorbildern.

Das Klavier

Die Klaviere, die im ersten Obergeschoss zur Schau gestellt werden, zeugen von der Entwicklung des Tasteninstruments seit dem 18. Jahrhundert. Im Gegensatz zum Cembalo zeichnet sich das Klavier (auch als Piano bezeichnet) dadurch aus, dass die Lautstärke des Tones durch die Stärke des Anschlages der Tasten variiert werden kann. Zentren des Klavierbaus waren Süddeutschland, Wien und London. Als Wegbereiter für die Hammermechanik sind Bartolomeo Cristofori und Gottfried Silbermann zu nennen.

Das Hammerklavier erlebte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Blütezeit und wurde zu einem integralen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Das Klavier war den Fürstensalons entwachsen und wurde in Form großer Konzertflügel Teil des öffentlichen Kulturlebens sowie in kleineren Spielarten gutbürgerlicher Häuser und Wohnungen.

Bürgerliche Wohnkultur

Barocke Stuben

Der Museumsbesucher durchschreitet im Erdgeschoss des Museums einige historische Zimmer, die die bürgerliche Wohnkultur seit dem Barock darstellen. Den Anfang macht das Wilstermarscher Zimmer mit seinen Wandvertäfelungen und den für diese Zeit im bäuerlichen Umfeld gebräuchlichen Delfter Fliesen. Es folgt das Hamburger Zimmer als Doppelraum mit Stuckdecken – darin die typische Einrichtung des Barock und Rokoko, darunter Kabinettschränke, voluminöse Dielenschränke, eine Standuhr und ein Kachelofen.

Das nachfolgende Louis-Seize-Zimmer präsentiert sich im spätbarocken Stil des französischen Königs Ludwig XVI. Der Hamburger Kaufmann und Ratsherr Nicolaus Gottlieb Lütkens erwarb es um 1775 in Frankreich. Zugleich ist es ein Symbol der Emanzipation des Bürgertums in der beginnenden Aufklärung, indem das ursprünglich absolutistische Formengut hier in den Kontext bürgerlicher Wohnkultur übertragen wird.

Räume des Klassizismus und Historismus

Das gegenüberliegende spätklassizistische Milde-Speckter-Zimmer ist eigentlich ein Appartement aus drei Raumeinheiten und spiegelt die wachsende Begeisterung bürgerlicher Kreise für die Antike wieder. Wandmalereien im pompejanischen Stil und antike Anklänge bei der Gestaltung der weiteren Einrichtung sind für solche großbürgerlichen Raumgestaltungen typisch. Die hier gezeigten Räume stammten aus Kaufmannshäusern in Hamburg und Lübeck. Die beteiligten Künstler waren Carl Julius Milde und Erwin Speckter.

Der diesen Ausstellungsabschnitt abschließende Raum ist der sogenannte Spiegelsaal. Er wurde im Jahre 1909 an die Villa des jüdischen Ehepaares Henry und Emma Budge angebaut. Sie hatten sich diesen für die Veranstaltung von Konzerten und Bällen errichten lassen. Der Spiegelsaal stellt nicht nur ein spätes Beispiel bemerkenswerter historisierender Pracht im bürgerlichen Milieu dar, sondern auch eine Blaupause für den Umgang mit Raubkunst. Da die Villa 1937 vom Ehepaar Budge weit unter Wert verkauft werden musste, hat sich die Stadt Hamburg mit der Erbengemeinschaft auf eine Entschädigungszahlung geeinigt.

Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg - Spiegelsaal
Spiegelsaal, 1909

Wohnkultur im Jugendstil, Art Deco und in der Moderne

Die Einrichtung und Gestaltung von Wohnräumen spielt auch in anderen Ausstellungen des Museums eine Rolle – dies besonders im Jugendstil, in dem Interieurs ein besonderes Gewicht bei der Entwicklung des Kunstschaffens spielten. Einer seiner Protagonisten war der Belgier Henry van der Velde. Für den Lübecker Juristen Dr. Ernst Wittern schuf er ein aus exklusivem Mobiliar gefertigtes Arbeitszimmer mit Schreibtisch, Schrankwand und Regalen. Im Museum ist dieses mit weiteren Einrichtungsgegenständen von Richard Riemerschmid und einem Bildzyklus von Arthur Illies zu einem idealtypischen Raum des Jugendstils kombiniert.

Im folgenden Raum, dem Pariser Saal, ziehen gleich mehrere Einrichtungsgegenstände den Blick auf sich. Da sind zunächst die raumhohe Spiegelvitrine sowie das Erkerzimmer, die beide auf der Pariser Weltausstellung im Jahre 1900 vom ersten Museumsdirekter Justus Brinckmann erworben wurden. Nicht minder berauschend wirkten auf mich ein Sideboard mit der beigestellten Tiffany-Lampe – letztere selbstredend ein Original von Louis Comfort Tiffany.

Vorbei an Interieurs des Art Déco und der Ästhetik des Bauhauses und der Moderne machen wir danach einen großen zeitlichen Sprung und wechseln dabei in das zweite Obergeschoss des Museumsgebäudes. Hier, ein wenig abseits der Besucherströme befindet sich eine Raumkreation, deren Wirkung sich wohl kein Museumsbesucher entziehen kann – Farbrausch inklusive! Der dänische Architekt und Designer Verner Panton schuf 1968 die Innenausstattung für das neue Verlagsgebäude des SPIEGEL in Hamburg. Erhalten hat sich nur die Kantine, die seit 2011 als Gesamtkunstwerk unter Denkmalschutz steht.

Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg - Kantine SPIEGEL
Ehemalige Kantine des Hamburger SPIEGEL-Gebäudes

Weitere Ausstellungen

Der Bestand der Sammlungen des Museums für Kunst und Gewerbe ist so vielfältig, dass eine Reihe weiterer größerer Ausstellungsbereiche existieren. Neben den bereits erwähnten großräumig angelegten Abteilungen für Islamische Kunst und Ostasien existieren Ausstellungen zu christlichen und jüdischen Kultobjekten, eine Skulpturengalerie, eine umfangreiche Porzellan-Sammlung sowie die Abteilungen zur Antike und Renaissance. Die beiden letzteren gehen räumlich ineinander über, wodurch der kulturgeschichtliche Zusammenhang beider Epochen auch durch die Ausstellungsgestaltung betont wird.

Überhaupt kommen Freunde antiker Kultur- und Alltagsgüter hier auf ihre Kosten, denn neben kleineren Ausstellungen zum Alten Ägypten und der Welt der Etrusker, verfügt das Haus über einen opulenten Umfang an Ausstellungsobjekten zu allen Epochen der griechischen und hellenistischen Zeit. Neben den umfangreichen Dauerausstellungen finden stets mehrere Sonderausstellungen gleichzeitig im Haus Platz. Wenn das nicht ein Grund ist, nicht nur einmal wieder zu kommen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Top