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Brandenburg an der Havel im Mittelalter

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Blick auf Brandenburg - Lithographie um 1835
Blick auf Brandenburg vom Harlungerberg – Lithographie, um 1835

Historischer Überblick

Von der slawischen Burg zum Bischofssitz

Brandenburg ist einer der bedeutendsten Orte der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung und christlichen Missionierung östlich der Elbe. 948 wurde hier durch den ostfränkischen König und späteren Kaiser Otto I. ein Bistum gegründet. Die dortige Dominsel beherbergte neben der Bischofskirche auch eine zentrale Burg der slawischen Heveller, die zuvor durch Heinrich I. erobert worden war. Ihre Bezeichnung Brennaburg (bzw. Brandenburg) wurde namensgebend für die Stadt und die spätere Mark.

Slawische Burg Brandenburg
Rekonstruktion der Brandenburg, 1. Hälfte 10. Jahrhundert (Zeichnung Bernd Fischer – Quelle)

Im Slawenaufstand von 983 gingen Burg und Bistum wieder verloren. Das Christentum kehrte erst über 150 Jahre später zurück, als sich der letzte Hevellerfürst Pribislaw (Taufname Heinrich) taufen ließ und die Prämonstratenser nach Brandenburg holte. Als Pribislaw 1150 starb, ging der Ort durch Erbvertrag an den Markgrafen Albrecht den Bären aus dem Geschlecht der Askanier über. Brandenburg wurde damit zur Keimzelle der Mark Brandenburg, deren Name im heutigen Bundesland weiterlebt.

Mittelalterliche Stadtstruktur

Die Prämonstratenser gründeten spätestens 1147 an der Kirche St. Gotthardt in der Siedlung Parduin am nördlichen Havelufer ein Stift, das 1165 auf die Dominsel umsiedelte und zum Domkapitel wurde. Aus Parduin entwickelte sich noch im 12. Jahrhundert die Altstadt Brandenburgs. 1196 wird schließlich die Neustadt erwähnt, die südlich von Altstadt und Dominsel planmäßig angelegt wurde. Alt- und Neustadt bildeten eigenständige Kommunen und besaßen auch getrennte Ummauerungen. Erst 1715 wurden beide zu einer Stadt vereinigt.

Einen weiteren Siedlungsbereich bildete das Dorf Luckenberg südwestlich der Altstadt. Von ihm zeugt die Nikolaikirche, ein spätromanischer Backsteinbau. Die verschiedenen Siedlungskerne der frühen Stadtwerdung sind auch noch heute in der Stadtstruktur deutlich ablesbar. Altstadt, Neustadt und Dominsel werden von Havelarmen umflossen. Zahlreiche Brücken verbinden die einzelnen Stadtbereiche.

Stadtplan Brandenburg - 1850
Stadtplan Brandenburg, um 1850 – die Stadtbezirke Altstadt, Neustadt und Dominsel sind deutlich erkennbar

Die mittelalterliche Backsteinarchitektur

Die besondere Entstehungsgeschichte Brandenburgs mit mehreren Siedlungskernen trug dazu bei, dass die Stadt im Mittelalter die kirchenreichste der Mark Brandenburg war. Als Baumaterial ist der Backstein dominant. Vereinzelt sind aber auch Granitquader zum Einsatz gekommen. Die benötigten Findlinge finden sich als eiszeitliche Ablagerungen im gesamten Umkreis von Brandenburg.

Dom und Dominsel

Der romanische Dom

Das mit Prämonstratensern besetzte Domstift war eine der wichtigsten Keimzellen der Christianisierung östlich der Elbe. Mit der Grundsteinlegung von 1165 begann der Bau des in weiten Teilen noch heute stehenden romanischen Domes im Bereich der ehemaligen Vorburg der Burganlage. Er ist zu den ältesten Backsteinbauten Nordeuropas zu zählen, woraus seine besondere kunstgeschichtliche Bedeutung resultiert.

Brandenburg an der Havel - Dom - Mittelschiff
Dom – Mittelschiff

Die flachgedeckte Pfeilerbasilika, die zunächst mit einem einschiffigen Langhaus geplant war, ist wahrscheinlich noch im 12. Jahrhundert vollendet worden. Die nachträglich eingebaute Krypta unter den Ostteilen, die deutlich über das Niveau des Mittelschiffs ragt und sich zu diesem mit zwei Durchgängen öffnet, ist jüngerer Forschung nach bereits im 12. Jahrhundert angelegt und in mehreren Bauabschnitten bis ins frühe 13. Jahrhundert hinein vollendet worden.

Ebenfalls noch romanisch präsentiert sich die sog. „Bunte Kapelle“ im Winkel zwischen Chor und dem nördlichen Querhausarm. Ihre außergewöhnlich reiche Ausmalung stammt aus dem 13. und dem 15. Jahrhundert. Sie wurden im späten 19. Jahrhundert nach Befund erneuert.

Die Dominsel im Spätmittelalter

Um die Mitte des 15. Jahrhunderts erfolgte schließlich eine umfassende Umgestaltung des Doms. Unter anderem wurde das Chorpolygon auf den romanischen Fundamenten neu errichtet. Der gesamte Kirchenbau ist nun gewölbt worden, wobei man die Wände erhöhte und damit vor allem die äußere Gestalt entscheidend veränderte. Seitdem prägen Kreuzrippenwölbung, Lanzettfenster und Maßwerkformen das Erscheinungsbild. Die romanische Anlage ist aber im Kern erhalten und gut ablesbar.

Auf der Dominsel gruppieren sich zahlreiche weitere mittelalterliche und frühneuzeitliche Gebäude. Der in wesentlichen Teilen erhaltene Kreuzgang des Domes entstand im 13. und 14. Jahrhundert. Die Domherrenkurien gruppierten sich ab 1507 um die Domklausur. Bemerkenswert ist vor allem die Petrikapelle, die um 1310/20 über der romanischen Burgkapelle errichtet wurde und seitdem als Pfarrkirche der Dominsel diente. Um 1520 wurde der Kirchenraum zu einer zweischiffigen Halle ausgebaut.

Brandenburg an der Havel - Dominsel
Luftbild der Dominsel mit Dom und Klausur – Quelle: Gregor Rom bei Wikipedia, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Der Dom und das Dommuseum verfügen über eine ganze Reihe qualitätvoller mittelalterlicher Ausstattungstücke, allen voran der sog. „Böhmische Altar“. Das Retabel, das ursprünglich den Hochaltar des Domes schmückte, stammt aus dem böhmischen Kunstkreis und ist dendrochronologisch auf das Jahr 1375 datiert. Es ist damit ein frühes Beispiel eines Flügelaltars in der Mark. Bemerkenswert sind auch: das jetzige Hochaltarretabel (sog. „Lehniner Altar“), die um 1430/40 entstandene Triumphkreuzgruppe und ein hölzernes Sakramentshaus, datiert um 1375/80.

Die Altstadt

Gotthardtkirche

Sakrales Zentrum der Altstadt ist die bereits erwähnte Pfarrkirche St. Gotthardt, die in der ehemaligen Siedlung Parduin gegründet wurde. Am Außenbau ist der Kontrast zwischen dem aus Feldsteinquadern errichtetem Westbau und der aus Backstein errichteten übrigen Kirche unverwechselbar. Ersterer dürfte einem basilikalen Bau des 12. Jahrhunderts angehören, der im Kontext mit der Ernennung des Prämonstratenserkonvents zum Domkapitel im Jahre 1161 – also kurz vor dessen Verlegung auf die Dominsel – stehen dürfte.

Brandenburg an der Havel - St. Gotthardt
Luftbild von St. Gotthardt – Quelle: Gregor Rom bei Wikipedia, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Die der Mitte des 15. Jahrhunderts entstammende spätgotische Hallenkirche mit Umgangschor ist dagegen als Reaktion auf den Neubau der Katharinenkirche in der Neustadt zu werten. Das Kircheninnere hinterlässt mit seinen mächtigen dienstbesetzten Rundpfeilern und der überwiegend frühneuzeitlichen Ausstattung einen besonders harmonischen Raumeindruck. Hervorzuheben ist die Triumphkreuzgruppe vom Ende des 15. Jahrhunderts.

Altstädtisches Rathaus

Durch die bis ins 18. Jahrhundert währende rechtliche Scheidung von Alt- und Neustadt besitzt bzw. besaß Brandenburg zwei historische Rathausbauten. Der Gebäudekomplex des Altstädtischen Rathauses stammt weitgehend aus der Mitte des 15. Jahrhunderts und zeichnet sich durch reich gegliederte Giebelgestaltungen sowie üppiges Blendmaßwerk aus. Zur Marktseite hin zeugt ein blendenbesetzter Mittelturm von dem Selbstbewusstsein der städtischen Bürgerschaft. Über eine ähnliche Symbolwirkung verfügt die vor dem Rathaus positionierte spätmittelalterliche Rolandsfigur, die ursprünglich auf dem Neumarkt stand.

Die Neustadt

Katharinenkirche

Die Pfarrkirche der Neustadt St. Katharina entstand an Stelle eines romanischen Vorgängerbaus. Der Baubeginn ist in den 1380er-Jahren anzusetzen. Die Vollendung dieser Inkunabel der spätgotischen Backsteinarchitektur ist noch vor der Mitte des 15. Jahrhunderts anzunehmen. Wie an St. Gotthardt handelt es sich um eine Hallenkirche mit entsprechendem Chorumgang.

Brandenburg an der Havel - St. Katharinen
Luftbild von St. Katharinen – Quelle: Gregor Rom bei Wikipedia, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Als Baumeister ist laut Inschrift am Bau Hinrich Brunsberg bezeugt. Brunsberg war einer der ersten Architekten in Mitteleuropa, der namentlich greifbar ist. Er wirkte um 1400 in der Mark Brandenburg und im Herzogtum Pommern, so neben Brandenburg auch in Stettin, Stargard oder Königsberg in der Neumark. Seine Bauten zeichnen sich durch reiche dekorative Elemente wie Schmuckfriese und freistehende Giebel mit Maßwerkrosetten und krabbenbesetzten Wimpergen aus. Zum Einsatz kamen dabei häufig glasierte Ziegel.

Der dekorative Reichtum dieser Architektur zeigt sich an der Katharinenkirche vor allem an den giebelbekrönten Kapellen der Nord- und Südseite sowie den lisenenartigen Zierbändern der nach Innen gezogenen Strebepfeiler. Die Figurennischen letzterer beinhalten Terracottaskulpturen, die bedauerlicherweise entweder aus Kopien oder Neuschöpfungen des 19. Jahrhunderts bestehen.

Der Hallenraum des Kircheninneren wird bestimmt durch die Achteckpfeiler, die das Netzgewölbe des Mittelschiffs tragen. Letzteres hebt im Gegensatz zu einem klassischen Kreuzrippengewölbe die Jochgrenzen auf und betont die Raumeinheit. Diese Entwicklung der spätgotischen Architektur hat ihren Ausgangspunkt bei der Baukunst des Peter Parler und den von ihm 1385 vollendeten Netzgewölben des Veitsdoms in Prag.

Neustädtisches Rathaus

Das Neustädtische Rathaus entstand zu Beginn des 14. Jahrhunderts und wurde in den folgenden Jahrhunderten durch Anbauten mehrfach erweitert. 1723 wurde ein neuer Rathausturm errichtet, nachdem der mittelalterliche bereits im 16. Jahrhundert wegen Baufälligkeit niedergelegt werden musste. Das Rathaus selbst ist im Zweiten Weltkrieg zerstört und nicht wieder aufgebaut worden. Es stand am Neustädtischen Markt östlich der Katharinenkirche. Die Sichtachse der Steinstraße führte auf den Haupteingang zu, neben dem seit 1716 der Roland stand.

Brandenburg an der Havel - Neustädtisches Rathaus 1870
Neustädtisches Rathaus, um 1870

Niederlassungen der Bettelorden

Entsprechend der Bedeutung Brandenburgs im Mittelalter haben sich auch die Bettelorden frühzeitig in der Stadt niedergelassen. Das Dominikanerkloster St. Pauli am Südrand der Neustadt ist seit dem Ende des 13. Jahrhunderts bezeugt. Die Klosteranlage und die dreischiffige Kirche mit einschiffigem langgestrecktem Chor sind in seltener Vollständigkeit erhalten. Die Franziskaner haben sich bereits 1237 in der Brandenburger Altstadt im Kloster St. Johannis angesiedelt. Von ihren Bauten hat sich lediglich die einschiffige, mehrfach umgebaute Klosterkirche als Kriegsruine erhalten.

Brandenburg an der Havel - Paulikloster
Luftbild des Pauliklosters – Quelle: Gregor Rom bei Wikipedia, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Stadtbefestigung und Tortürme

Die Stadtbefestigung, mit deren Bau um 1300 begonnen wurde, bestand aus Backstein. Zuvor waren Alt- und Neustadt mit einer Holz-Erde-Befestigung umgeben. Von der Backsteinmauer des 14. Jahrhunderts mit Weichhäusern sind nur geringe Abschnitte überkommen.

Alt- und Neustadt besaßen ursprünglich jeweils vier mehrteilige Toranlagen. Davon haben sich lediglich vier Tortürme erhalten. In der Altstadt stehen der Rathenower und der Plauer Torturm, in der Neustadt der Mühlentorturm und der Steintorturm. Mit Ausnahme des Rathenower Torturms, dessen Unterbau um 1300 datiert werden kann, sind alle Tortürme dem 15. Jahrhundert zuzurechnen.

Vor den Stadttoren

Pfarrkirche St. Nikolai

Es ist wohl der Tatsache zu verdanken, dass die Marktsiedlung Luckenberg außerhalb der Stadtbefestigung lag und 1249 in die Altstadt eingemeindet wurde, dass sich dessen Pfarrkirche St. Nikolai weitgehend unverändert erhalten hat und nicht wie die anderen Pfarrkirchen einem gotischen Neubau gewichen ist. Die querschifflose Basilika wurde um 1170 begonnen und nach einer Bauunterbrechung im 2. Viertel des 13. Jahrhunderts vollendet. Mit ihrer Formensprache aus profilierter Sockelzone, Lisenen, Halbrundvorlagen sowie Traufenfriesen aus Rundbögen, Kreuzbögen und Winkeln ist der Kirchenbau ein typischer Vertreter spätromanischer Backsteinarchitektur in der Mark Brandenburg.

Brandenburg an der Havel - St. Nikolai
St. Nikolai – ehemalige Pfarrkirche der Siedlung Luckenberg

Marienkirche auf dem Harlungerberg

Der ungewöhnlichste Sakralbau Brandenburgs und der gesamten Mark stand aber auf dem Harlungerberg (heute Marienberg) nördlich der Altstadt. An Stelle eines slawischen Heiligtums entstand zunächst eine Marienkirche, die wiederum um 1220 bis 1240 einer bemerkenswerten Wallfahrtskirche wich. Der Baukörper wurde schließlich 1722 wegen Baufälligkeit abgerissen.

Altstadt und Marienberg Brandenburg aus Chronik des Zacharias Garcaeus
Altstadt und Harlungerberg in Brandenburg aus der Chronik des Zacharias Garcaeus, um 1582

Wichtigste Quelle für die Gestalt der Kirche waren die von Joachim Christoph Heinss, Direktor der Ritterakademie in Brandenburg, kurz vor dem Abriss angefertigten Vermessungen und Zeichnungen. Bei der Kirche aus Backstein handelte es sich um einen Zentralbau über griechischem Kreuz und Apsiden. Zwischen die Kreuzarme war jeweils ein Turm eingestellt. Das Innere war von kuppelartigen Gewölben und Emporen bestimmt. Im Westen der Kirche wurde 1443 mit der Leonhardskapelle ein gotischer Anbau errichtet.

Die Havel

Brandenburg an der Havel präsentiert sich als ein Juwel mittelalterlicher Backsteinarchitektur, das nicht nur Kunsthistoriker begeistern kann. Die besondere Wirkung der Stadt erwächst vor allem durch die verschiedenen voneinander geschiedenen Stadtbezirke wie Dominsel, Altstadt, Neustadt sowie die Siedlungen vor den Stadttoren, die eingebettet sind in eine wasserreiche Flusslandschaft.

Die diversen Havelarme haben die Entwicklung Brandenburgs im Mittelalter entscheidend beeinflusst und sind auch heute noch beherrschend in der Stadtstruktur. Insofern sollten die architektonischen Reize der Stadt im Kontext der naturräumlichen Gegebenheiten wahrgenommen werden. Die Bedeutung des Wassers wird bei einem Stadtrundgang vor allem an den Zugängen zur Dominsel und am Übergang von der Alt- zur Neustadt erfahrbar.

Literatur

Für eine Vertiefung der Studien zur mittelalterlichen Architektur und Geschichte von Stadt und Mark Brandenburg trage ich hier einige empfehlenswerte Publikationen zusammen, die aber eine vollständige Bibliographie nicht in Ansätzen kompensieren können:

  • Rüdiger von Schnurbein (Hrsg.), Beständig Neu: 850 Jahre Dom zu Brandenburg an der Havel, Berlin, 2015
  • Rüdiger von Schnurbein, Der Dom zu Brandenburg an der Havel, Berlin, 2021
  • Fritz Wochnik, Sankt Katharinen in der Neustadt Brandenburg: Ein Beitrag zur Kirchengeschichte der Stadt Brandenburg an der Havel, Berlin, 2018
  • Ernst Badstübner / Dirk Schumann (Hrsg.), Hallenumgangschöre in Brandenburg, Berlin, 2000
  • Vera Henze-Mengelkamp, Die Marienkirche auf dem Harlungerberg in Brandenburg an der Havel: Zur Baumotivation, Gestaltung und Nutzung eines zerstörten Hauptwerks brandenburgischer Architektur, Berlin, 2020
  • Ernst Badstübner / Peter Knüvener / Adam S. Labuda / Dirk Schumann (Hrsg.), Die Kunst des Mittelalters in der Mark Brandenburg: Tradition – Transformation – Innovation, Berlin, 2008
  • Winfried Schich (Hrsg.), Beiträge zur Entstehung und Entwicklung der Stadt Brandenburg im Mittelalter, Berlin / New York, 1993
  • Klaus Grebe, Die Brandenburg vor 1000 Jahren, Potsdam, 1991

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