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Aufstieg zur Residenzstadt
Die Keimzelle der Stadt Bückeburg ist eine Burg, die Anfang des 14. Jahrhunderts durch Graf Adolf VI. von Schauenburg angelegt wurde. Der Ort sollte in der Folge zur Hauptresidenz der Grafschaft aufsteigen. Zunächst hatten die Grafen ihren Stammsitz in der östlich von Rinteln liegenden Schauenburg, die im 12. Jahrhundert als Höhenburg im Weserbergland errichtet worden war. Danach folgte das nahe gelegene Stadthagen als Hauptresidenz.
Die Blütezeit Bückeburgs ist das frühe 17. Jahrhundert, als die Stadt unter Graf (ab 1619 Fürst) Ernst zur Residenzstadt ausgebaut wurde und 1609 Stadtrechte erhielt. Die zu jener Zeit errichteten Bauten prägen noch heute das Gesicht der Straßenzüge. Mit dem Dreißigjährigen Krieg und dem Aussterben der Schauenburgischen Dynastie 1640 setzte eine Stagnation in der Entwicklung der Stadt ein.
Schauenburger oder Schaumburger?
Schauenburg? Schaumburg? Was ist denn nun richtig? Prinzipiell beides, je nachdem über welchen Zeitrahmen wir sprechen. Bis etwa 1485 war die Schauenburg als Stammburg namensgebend für das Grafengeschlecht. Danach kam es wohl zu einer Verballhornung des Namens zu Schaumburg.
Ein kleiner Exkurs zur Landeskunde: Das Grafengeschlecht hatte im Mittelalter nicht nur im sächsischen Stammland an der Weser eine bedeutende Rolle beim Landesausbau inne, sondern vor allem nördlich der Elbe. 1110 belehnte Herzog Lothar von Supplinburg Adolf I. von Schauenburg mit der Grafschaft Holstein. In der Folge gründeten die Schauenburger dort zahlreiche Städte wie Kiel, Neustadt in Holstein, Plön oder Heiligenhafen, die das Schauenburger Nesselblatt bis heute im Wappen tragen – ebenso wie das Bundesland Schleswig-Holstein.
Das Residenzschloss
Vom Schlosstor zum Schlossvorhof
Den Schlossbezirk betritt man direkt vom Marktplatz. Das reich gegliederte Schlosstor ist mit dem Dekorationsvokabular des Weserraumes besetzt: Diamantquader, Beschlagwerk, ionische Säulen, Obelisken. Gerahmt wird es von der Fürstlichen Hofkammer und der Alten Kammerkasse. Das Ensemble, das im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts entstand, wirkt mit seiner repräsentativen Gestaltung wie ein vorweggenommenes Entrée in das Corps de Logis, den Wohntrakt des Schlosses.
Der weitere Weg leitet uns über die Schlossgraft und die darüber führende Brücke mit Kopien von Figurengruppen, die der aus den Niederlanden stammende Prager Hofbildhauer Adriaen de Vries 1621 für diesen Standort schuf. Allein die Präsenz eines derart international renommierten Künstlers spiegelt die Bedeutung des Bückeburger Hofes zu dieser Zeit wider. Der folgende Schlossvorhof ist von zwei Kavaliershäusern in Neorenaissanceformen gerahmt. Im Zentrum des Platzes zieht ein mit allegorischen Figuren besetzter Brunnen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts den Blick auf sich.
Baugeschichte
Von der mittelalterlichen Wasserburg hat sich vor allem der Bergfried im zentralen Turmbau der heutigen Hauptfassade erhalten. Unter Graf Otto IV. wurde die Burg zu einer unregelmäßigen Vierflügelanlage erweitert. Von diesem beachtlichen 1560 bis 1563 erbauten Frührenaissanceschloss sind der Nord- und der Westflügel weitgehend in ihrer ursprünglichen Form erhalten. Die Bauabschnitte sind gut an den für den Weserraum typischen Halbrundgiebeln mit Kugelbesatz auszumachen.
Ost- und Südflügel sind in schlichten barocken Formen entstanden, nachdem das Schloss seit Mitte des 17. Jahrhunderts baufällig wurde und es 1732 zu einem Brand kam. Die symmetrische Ergänzung des zum Schlossvorhof weisenden Südfassade erfolgte erst Ende des 19. Jahrhunderts.
Innenräume: Schlosskapelle und Goldener Saal
Der bereits erwähnte Fürst Ernst, der Bückeburg zur Residenz ausbaute, hinterließ seine Spuren vor allem in den Innenräumen. Die Mauern der Schlosskapelle sind noch dem mittelalterlichen Schlossbau zuzurechnen. Von besonderer Pracht und kunsthistorischer Bedeutung ist allerdings ihre 1603 bis 1608 geschaffene Neuausstattung, deren Höhepunkt der engelgetragene Altartisch mit der dahinter befindlichen vergoldeten Kanzelwand darstellt. Die frühbarocke Komposition ist eine Vorform der im Barock gängigen Kanzelaltäre. Die rückwärtige Fürstenloge zeigt eine ähnliche Ornamentfülle.
Von den weiteren durch Fürst Ernst in Auftrag gegebenen Räumen ist im Wesentlichen nur der Goldene Saal mit der überschwänglich mit Ornamenten und figuralen Elementen besetzten Götterpforte und einer reich profilierten Kassettendecke überkommen. Die Prachtentfaltung des Portals ist um 1604 von den Bildhauerbrüdern Ebert und Jonas Wolf erschaffen worden, die bereits an der Neuausstattung der Schlosskapelle federführend beteiligt waren. Sie erinnert an die manieristischen Druckvorlagen eines Wendel Dietterlin.
Die übrigen Räumlichkeiten sind von Erneuerungen des 18. und 19. Jahrhunderts geprägt – darunter der Weiße Saal und der Große Festsaal. Die bedeutendsten unter ihnen sind im Rahmen einer Führung zu besichtigen.
Park
Die Schlossanlage ist eingebettet in einen weitläufigen Landschaftspark, der auf einen Lustgarten des Fürsten Ernst aus dem Jahre 1606 zurückgeht. In ihm steht das 1913 bis 1915 vom Berliner Architekten Paul Baumgarten für Fürst Adolf II. errichtete Mausoleum. Der monumentale Kuppelbau des späten Historismus konkurriert mit seinen Mosaiken und Marmorböden geradezu kühn mit dem römischen Pantheon.
Evangelische Stadtkirche
Die Stadtkirche bildet am Ende einer Straßenachse mit ihrer repräsentativen Fassade den geographischen Gegenpol zum Schlossbezirk und einen prominenten Blickfang. Im Aufbau und Grundriss folgt der 1610 bis 1615 errichtete Kirchenbau geradezu retrospektiv einer dreischiffigen gotischen Hallenkirche mit maßwerkbesetzten Fenstern. Ganz anders die Westfassade: Das vielgliedrige System aus komplizierten Giebelformen, Pilastern, Rollwerk und ersten Ansätzen von Ohrmuschelwerk stellt ein Hauptwerk des norddeutschen Manierismus dar.
Im Innern der Halle folgen die Kreuzrippengewölbe wiederum gotischen Baugewohnheiten. Die Stützen dagegen sind streng nach antiken Vorgaben als Säulen korinthischer Ordnung mit reich profilierten Basen ausgeführt. Der Baumeister dieser Raumschöpfung ist bis heute nicht zuverlässig ermittelt.
Die reiche Ausstattung ist weitgehend bauzeitlich und bildet mit dem Kirchenraum ein Gesamtkunstwerk. Nennenswert sind vor allem der Orgelaufbau, die Fürstenloge, die Kanzel und vor allem die Bronzetaufe von Adriaen de Vries. Insgesamt ist die Bückeburger Stadtkirche neben der Wolfenbütteler Marienkirche als bedeutendster evangelischer Kirchenbau bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts – dem Ende des Dreißigjährigen Krieges – einzuordnen.
Würdigung
Bückeburg ist ein Paradebeispiel für eine frühneuzeitliche Residenzstadt, die sich durch ihren gezielten Ausbau weit über ihre mittelalterlichen Wurzeln entwickelte. Die Stadt war unter Graf Ernst für wenige Jahrzehnte Mittelpunkt höfischer Kultur und Wirkungsstätte international renommierter Künstler. Sie wurde damit zu einem Zentrum für Kunst und Architektur des Manierismus in Norddeutschland.
Wie für viele andere Städte auch, ist der Dreißigjährige Krieg ein entscheidender Einschnitt in der Entwicklung der Residenz. Die einstige Bedeutung Bückeburgs flammt erst um 1900 unter Fürst Georg und Fürst Adolf II. wieder auf. Ihnen sind die repräsentativen Bauten des Schlossvorplatzes und des monumentalen Mausoleums im Schlosspark zu verdanken.