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Der Bayerische Rundfunk, Facebook, die YPG und der Staatsschutz – eine Posse

Posted on – zuletzt aktualisiert am 16. September 2018
Meinungsfreiheit

Ein Artikel über die Kurdenmiliz YPG

An eine Posse könnte man in der Tat glauben, wenn es nicht so bitterernst wäre, was dort die Münchner Beamten vom Staatsschutz aufführen. Ausgangspunkt ist ein Artikel des Bayerischen Rundfunks über die syrische Kurdenmiliz YPG vom August 2017. Wem diese – wie mir – nicht so viel sagt, der sei kurz aufgeklärt: Die YPG ist der bewaffnete Arm der nordsyrischen Kurdenpartei PYD. Die PYD ist wiederum eng verflochten mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in der Türkei. Um die Absurdität der Vorgänge gänzlich zu erfassen, sollte zudem erwähnt werden, dass die YPG eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den IS besaß und von den USA dafür mit Waffen beliefert wurde. An der Allianz gegen den IS war auch Deutschland beteiligt und arbeitet somit indirekt mit der YPG zusammen. Soweit zu den Rahmenbedingungen!

Nun wurde der Artikel des Bayerischen Rundfunks – wie es halt so im Zeitalter der sozialen Netzwerke üblich ist – dutzendfach auf Facebook geteilt. Das wiederum hat den Bayerischen Staatsschutz auf den Plan gerufen. Grund des Anstoßes: Mit dem Artikel wurde technisch bedingt auch die Abbildung des Artikels geteilt. Diese zeigt aber die Flagge der YPG, die wiederum in Deutschland im März 2017 durch das Innenministerium verboten wurde. Ja, das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen: Das Innenministerium verbietet das Zeigen einer Flagge eines Verbündeten Deutschlands im Kampf gegen den IS. Da drängt sich geradezu der Verdacht auf, dass dies als Konzession an den allseits als Achter der Menschenrechte bekannten türkischen Staatspräsidenten Erdogan geschehen ist. Dieser hat ja zurzeit viel Freude damit, mit Hilfe deutscher Panzer Krieg gegen Kurden zu führen.

Der Fall Johannes König

Schön, wenn Weltpolitik so leicht durchschaubar ist. Allerdings scheint dies für den bayerischen Staatsschutz doch noch eine Nummer zu hoch zu sein. Leidtragender ist unter anderem der Cellist Johannes König der Münchner Philharmoniker. Dieser hatte den besagten Artikel des Bayerischen Rundfunks bei Facebook – noch dazu ohne eigenen Kommentar – geteilt. In München rechtfertigt man die Ermittlungen gegen ihn damit, dass Medien zum Zweck der staatsbürgerlichen Aufklärung verbotene Zeichen zeigen dürften, das gelte aber angeblich nicht für die Nutzer dieser Medien. Konkret zitiert der Bayerische Rundfunk die Münchner Polizei:

Wenn Medien Abbildungen dieser Kennzeichen (zum Beispiel Fahnen) zeigen, dann ist dies nicht strafbar, da nach dem §9/1 S.2 Vereinsgesetz die Verwendung für staatsbürgerliche Aufklärung, zur Abwehr verfassungsfeindlicher Bestrebungen und für ähnliche Zwecke erlaubt ist. Unter ähnliche Zwecke fällt auch die mediale Berichtserstattung. Wenn Mediennutzer dagegen diese oben beschriebenen medialen Abbildungen in sozialen Netzwerken teilen, dann ist dies eine verbotene Verwendung der Kennzeichen und nach §20 Vereinsgesetz eine Straftat.

Wie falsch man mit dieser Einschätzung liegt, zeigt bereits die Antwort der Bundesregierung aus einer Anfrage der Linken im April 2017. Auf Seite 11 heißt es:

Die Fahnen der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten (YPG) und YPJ in Syrien sind nicht schlechthin verboten, sondern nur insoweit, als dass sich die PKK derer ersatzweise bedient.

Davon, dass sich die PKK der Fahne der YPG bedient hat, kann weder in dem Artikel des Bayerischen Rundfunks noch beim Teilen eben jenes Artikels der Rede sein. Ähnlich sieht es übrigens auch das Verwaltungsgericht Frankfurt. Die Stadt Frankfurt hatte unter anderem die Flaggen der YPG bei einer Demonstration zur Erinnerung an die erfolgreiche Verteidigung der nordsyrischen Stadt Kobane gegen den IS, die den Kurden mit Hilfe der internationalen Allianz gelang, untersagt. Das Gericht verwies dagegen darauf, dass es beim Zeigen rechtswidriger Symbole maßgeblich auf den Kontext ankomme und entschied, dass das Verbot rechtswidrig gewesen sei.

Der Fall Kerem Schamberger

Nur in München, da scheint man noch nicht verstanden zu haben, wie sehr man sich verrennt. Bereits vor einigen Monaten fand beim Kommunikationswissenschaftler Kerem Schamberger von der Ludwig-Maximilians-Universität München eine Hausdurchsuchung wegen des gleichen Vergehens statt. Auch er teilte auf Facebook eine Fahne der YPG. Ein Video, das um die Welt ging, zeigt sie nach dem Sieg gegen den IS. Die Polizei bestätigte zudem, dass sie gegen weitere Facebook-Nutzer ermittele. Der Leipziger Rechtsanwalt Jürgen Kasek bringt in diesem Zusammenhang eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die ermittelnden Beamten ins Gespräch.

Und nun? Muss jeder, der diese Missstände in der Öffentlichkeit anprangert, mit Besuch vom Verfassungsschutz rechnen? Ich sollte vielleicht schon mal Kaffee aufsetzen und Kuchen holen.

Update (16.09.18): Nun sind wir endgültig in der Realsatire angelangt. Weil König ein Facebook-Post des Satire-Magazins Der Postillon über Björn Höcke mit einem Bildnis von Adolf Hitler geliked hat, wird ein weiteres Verfahren gegen ihn geführt. Seine Akte ist jetzt bereits fast 50 Seiten dick. So etwas kann man sich nicht ausdenken, so etwas findet man nur in bayerischen Amtsstuben…

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