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Buchenwälder und Warten im Huy
Das nördliche Harzvorland ist eine flache bis hügelige Landschaft, von der sich der Harz mit seinen Gipfeln auffällig abhebt. Gelegentlich wird sie von kleinen Höhenrücken durchzogen, von denen der dicht bewaldete Huy nordwestlich von Halberstadt mit Abstand der auffälligste ist. Geologisch besteht er aus Sandstein bzw. Muschelkalk und erreicht eine Höhe von über 300 Meter. Die großflächigen Buchenwälder – sie gehören zu den größten Europas – machen das Gebiet zu einem Refugium für Wanderer und Naturfreunde. Seinen eigentümlichen Namen erhielt der Huy vom althochdeutschen „Hüh“, was mit „Höhe“ zu übersetzen ist.
Entsprechend seiner strategisch bedeutenden Lage zwischen der Harzrandmulde im Südwesten sowie den flachen Landschaften des Großen Bruchs und der Magdeburger Börde im Norden und Osten war der Huy spätestens seit dem 8. Jahrhundert kultiviert. Zur Grenzsicherung des karolingischen Reiches gegen die ostelbischen Slawen existierte eine Militärstation, die Huyburg. Seit 977 war der Huy im Besitz der Halberstädter Bischöfe.
Im Spätmittelalter wurde der Huy genutzt, um eine Landwehr in Form von Warttürmen zu errichten. Diese Form des städtischen Verteidigungssystems ist im gesamten Harzumfeld bis nach Magdeburg in zahlreichen Beispielen erhalten, aber für ganz Deutschland nachweisbar. Der Wartenweg, ein Wanderweg, verbindet die drei Warten des Huy: die Heiketalwarte im Westen, die Sargstedter Warte im Süden und die Paulkopfswarte im Osten mit einem fulminanten Ausblick auf die mittelalterlichen Kirchentürme von Halberstadt. Die beiden ersten sind heute Aussichtstürme, die letztere steht versteckt als romantische Ruine am Waldrand.
Das Kloster Huysburg
Historisches
Im Zentrum des Huy, unweit des Buchenberges, thront das Kloster Huysburg. Auf dem Gelände existierten vor der Klostergründung spätestens seit der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts ein bischöflicher Wirtschaftshof und möglicherweise eine noch ältere Burganlage. Die förmliche Gründung eines Doppelklosters nach der Regel des heiligen Benedikt erfolgte im Jahre 1084 durch Bischof Burchard II., nachdem bereist zuvor Inklusen – das sind Eremiten, die nach außerordentlich strenger christlicher Askese lebten – am Huy gewirkt hatten. Für 1444 ist der Anschluss an die Bursfelder Kongregation, einer klösterlichen Reformbewegung, bezeugt. Die Säkularisation fegte 1804 über das Klosterleben.
An der Nordseite des Klosters fällt das Gelände recht steil ab. Zu Füßen der Anlage liegt der Röderhof, einer der mittelalterlichen Haupthöfe des Klosters Huysburg. Nach der Säkularisation entstand auf dem Areal ab 1830 das Rittergut Schloss Röderhof als romantische Anlage im neugotischen Stil. Sie wird von einem ehemaligen Landschaftspark umgeben.
Fragen der Baugeschichte an der Klosterkirche
Der früheste greifbare Baubestand betrifft eine 1058 geweihte, gewölbte doppelgeschossige Kapelle. Von ihr haben sich Reste im heutigen Kirchenbau hinter der Hauptapsis erhalten. Im Grundriss bestand sie aus drei mal drei Jochen und einem Ostabschluss aus drei Apsiden. Auffälligster Befund an den dazugehörigen Mauerpartien sind Fragmente einer gut erhaltenen figürlichen Wandmalerei aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Derartige Doppelkapellen entstanden häufig im herrschaftlichen Kontext wie Pfalzen (in Goslar, Eger oder Rheda) und Burgen (in Nürnberg, Landsberg oder Schloss Neuenburg bei Freyburg). Ende des 11. Jahrhunderts wurde dieser frühe Bau nach Westen erweitert, wobei sich Reste der Anlage in den Chorwänden der heutigen Kirche erhalten haben. Schließlich erfolgte ein weitgehender Neubau der Klosterkirche unter Einbeziehung der bestehenden Bauten.
Diese 1121 geweihte Kirche ist eine langgestreckte, flachgedeckte Basilika – die Kreuzgratgewölbe in den Seitenschiffen sind jüngeren Ursprungs – von auffällig steilen Proportionen und einem Querhaus. Der eigenwillige apsidiale Chorschluss im Osten ist von offenen Rundbögen durchbrochen. Die sicherlich durch die Einbeziehung des Vorgängerbaus bedingte Situation wird heute durch den barocken Altar verstellt. Die ehemaligen Querhausapsiden sind durch Befund nachgewiesen. Eine nicht nach außen tretende Westapsis befindet sich zwischen den Untergeschossen der Westtürme. Im Langhaus findet sich ein Stützenwechsel aus Pfeiler und Säule mit gekuppelten Arkaden. Der Außenbau dieser monumentalen. Klosterkirche präsentiert sich auffallend ungegliedert. Insgesamt haben wir es hier mit einem bedeutenden Denkmal der sächsischen Romanik zu tun.
Klausurbauten und barocke Abtei
Von den mittelalterlichen Klausurbauten steht lediglich noch ein zweigeschossiger Bau des Südflügels. In seinem Obergeschoss befindet sich ein sechsjochiger und zweischiffiger Saal. Die Säulen tragen bemerkenswerte Kapitelle, deren Formen sich in die 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts datieren lassen. Nicht abschließend zu klären, ist die Funktion des Raumes. Die aufwendige Ausgestaltung würde an ein Refektorium – also den Speisesaal des Klosters – denken lassen, doch pflegte ein solches in der Regel im Erdgeschoss lokalisiert zu sein. Und dieses wird nach Baubefund wohl tatsächlich auch in Huysburg eher dort zu suchen sein. Möglicherweise spielt hier die besondere Stellung der Huysburg zugleich als bischöfliche Pfalz eine Rolle und wir haben es im Obergeschoss mit einem Festsaal zu tun. Dafür würden auch die ehemaligen hölzernen Einbauten sprechen, deren Einbau an den Längswänden nachgewiesen ist. Zudem war dieser Raum ursprünglich auch von außerhalb der Klausur erreichbar. Noch im 12. Jahrhundert taucht die Bezeichnung „palatium“ in Huysburger Quellen auf. Vor diesem Hintergrund würde auch die Existenz der Doppelkapelle erklärbar sein.
Das weitläufige Klosterareal ist von einer Mauer umgeben und beherbergt neben den Wirtschaftsgebäuden zahlreiche neuzeitliche Bauten. Hierzu gehört auch der Klausurnordflügel. West- und Ostflügel sind im Rahmen der Säkularisation des Klosters abgebrochen worden. Südlich der Klausur entstand 1749 ein repräsentatives neues Abteigebäude mit anschließendem Torhaus.
Das Kloster wird seit einigen Jahren wieder von einer Mönchsgemeinschaft bewohnt. Nicht zuletzt diesem Engagement ist es geschuldet, dass die Huysburg wieder ein lebendiger Ort der Spiritualität, aber auch des weltlichen Interesses geworden ist. Unter anderem haben wir es den Mönchen zu verdanken, dass wir im Rahmen einer privaten Führung den einen oder anderen Einblick in Baubefunde erhalten konnten, die der gewöhnlichen Öffentlichkeit verborgen sind.