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Die Debatte um die Kuppelinschrift am Berliner Schloss

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Kuppel Berliner Schloss

Ein rekonstruiertes Bibelzitat

Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.

Diese Inschrift ziert ebenso wie ein christliches Kreuz seit wenigen Jahren wieder die Kuppel der Berliner Schlosses. Sie wurde durch König Friedrich Wilhelm IV. aus Bibelversen (Apostelgeschichte 4,12 und Philipper 2,10) zusammengesetzt. Gemeinsam mit der 1845 bis 1854 durch den Architekten Friedrich August Stüler errichteten Kuppelkonstruktion über der Westfassade von Schlüters barockem Schlossbau ist sie seit der Rekonstruktion der preußischen Residenz wieder als Ausdruck monarchischer Herrschaft zu bewundern.

Disput um Kontextualisierung

Seitdem reißt die Debatte darüber nicht ab, inwiefern das Schriftband sich mit dem Auftrag des im Schloss beheimateten Humboldt Forums verträgt, einen Ort für den Dialog der Weltkulturen zu schaffen. An vorderster Front der Kritiker der jetzigen Situation präsentiert sich Kulturstaatsministerin Claudia Roth. In einem Statement begrüßt sie ausdrücklich die kritische Auseinandersetzung mit der Symbolik von Kuppel, Kreuz und Inschrift und verteidigt ein Kunstprojekt, das die Inschrift kontextualisieren soll. Dabei ist geplant, die Bibelzitate temporär nachts mit alternativen, kommentierenden und reflektierenden Texten überstrahlen zu lassen. Die Stiftung Humboldt Forum möchte sich zudem mit einer Tafel von der Botschaft des Kuppeltextes distanzieren. Das wiederum empört einige Rekonstruktionsbefürworter.

Der Disput über die Deutung der Inschrift wird von beiden Lagern verbissen, bisweilen aggressiv und irrational geführt. In der Süddeutschen Zeitung lässt sich Jens Bisky dazu hinreißen, von einem „Ludergeruch der Reaktion“ zu sprechen, der die Schlosskuppel umweht. Er wandelt damit ein Zitat des preußischen Königs um, der 1849 die ihm von der Frankfurter Nationalversammlung angetragene Kaiserkrone mit dem Hinweis auf den „Ludergeruch der Revolution“ ablehnte. Auf der anderen Seite möchte man „eine rot-linksextremistische Bundesregierung“ als verantwortlich zeichnen für den Angriff auf die Schlossrekonstruktion. Im rechtspopulistischen Portal „Tichys Einblick“ lässt sich Klaus-Rüdiger Mai über Roths politisches Schaffen und ihren Bildungsweg aus, um zu dem Schluss zu kommen, dass die Kulturstaatsministerin in Wahrheit auf die Zerstörung der Kultur abzielt. Zum eigentlichen Diskurs hat er indes wenig beizutragen.

Herrschaftliche Architektur als Bedeutungsträger

Die Frömmigkeit Friedrich Wilhelms IV.

Kehren wir daher zur Sachlichkeit zurück und werfen einen Blick auf die Entstehungsgeschichte der Kuppel im 19. Jahrhundert. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass diese die Schlosskapelle barg, weshalb das rekonstruierte und ebenfalls kritisierte Kuppelkreuz sowie die Bibelzitate an diesem Ort nicht unerwartet vorzufinden sind.

Doch herrschaftliche Architektur ist immer auch auf ihre Funktion als Bedeutungsträger zu hinterfragen. Meinem Kollegen, dem Kunsthistoriker Alfred Hagemann, kommt das Verdienst zu, die Symbolpolitik Friedrich Wilhelms IV. am Beispiel der Berliner Schlosskuppel einem breiten Publikum vorzustellen. Welche Bedeutung der Monarch der Errichtung eines Kirchenbaus beimaß, wird an der 1845 erfolgten, symbolträchtigen Grundsteinlegung der Friedenskirche am Fuße von Sanssouci in Potsdam deutlich. Zu der Programmatik äußerte er sich wie folgt:

Es scheint mir zu passen, eine Kirche, welche zu einem Pallast-Bezirk gehört, der den Namen Sans-Souci, ohne Sorge, trägt, dem ewigen Friedensfürsten zu weihen und so das weltlich Negative „ohne Sorgen“, dem geistlich Positiven „Frieden“ entgegen oder vielmehr gegenüber zu stellen.

In gleicher Weise verfolgte Friedrich Wilhelm in Berlin die Verbindung der weltlichen dynastischen Macht mit christlicher Symbolik. So ist auch die Programmatik der 96 Figuren an den tragenden Pfeilern im Innern der Kuppel zu verstehen: Neben Aposteln, Propheten und Märtyrern tauchen auch Reformatoren, mittelalterliche Monarchen und Mitglieder des Hauses Hohenzollern auf. Wir sehen hier weltliche Herrscher und den evangelischen Glauben als gemeinsame Stützen des Christentums versammelt.

Gottesgnadentum und universeller Herrschaftsanspruch

Und so kann man auch das Äußere des Kuppelbaus als Botschaft eines Königs an sein Volk verstehen, dessen Herrschaftslegitimation in einer revolutionären Zeit, die in Deutschland in den Jahren 1848 und 1849 ihren Höhepunkt erreichte, massiv in Frage gestellt wurde. Ist die Kuppelinschrift in diesem Kontext als ein Hinweis auf eine Herrschaft von Gottes Gnaden zu verstehen? Immerhin hat Friedrich Wilhelm die Kaiserkrone aus den Händen der Nationalversammlung, somit der Volksvertreter, abgelehnt, um damit dem Umbau zur konstitutionellen Monarchie entgegen zu wirken.

Das Gottesgnadentum der Herrschaft der Hohenzollern ist wiederum untrennbar verbunden mit dem Gedanken des universellen Herrschaftsanspruchs des Christentums, wie er in den Bibelzitaten der Kuppel zum Ausdruck zu kommen scheint. So naheliegend diese Interpretation zu sein scheint, so sehr stößt sie unter Theologen auf Widerspruch.

Nur ein Glaubensbekenntnis?

Johann Hinrich Claussen, der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, wendet sich gegen diese Deutung. Er verweist darauf, dass die Worte von Petrus und Paulus, die in den Bibelzitaten zu lesen sind, ein Glaubensbekenntnis darstellen. Sie stünden nicht für Staatsfrömmigkeit, sondern für Glaubensfreiheit. Den Gedanken, der Hohenzollern hätte die Verse für eine Demonstration des Gottesgnadentums vereinnahmt, ist für Claussen nicht nachvollziehbar.

Auch Richard Schröder, Philosoph und Theologe, argumentiert gegen die Deutung der Inschrift, so wie sie von der Stiftung Humboldt Forum vorgenommen wird. Er sieht in der Schlosskapelle nicht mehr als die private Hauskirche des Schlossherren. Vielmehr sei der Berliner Dom der Bau, in dem sich Friedrich Wilhelms Stellung als oberster Hüter der Landeskirche manifestiert. Schröder verweist darauf, dass eine konstitutionelle Monarchie und die Herrschaft von Gottes Gnaden keinen unüberwindlichen Gegensatz darstellen müssen. Den Kniefall im Bibelzitat deutet er als eine Geste des Respekts, nicht der Niederwerfung.

Zur Frage des universellen Alleingültigkeits- und Herrschaftsanspruchs des Christentums merkt Schröder an, dass die Gleichbehandlung aller Religionen für einen gläubigen Christen bereits durch sein Bekenntnis zu einer einzigen Religion und seiner göttlichen Wahrheit zu einem unmöglichen Unterfangen wird. Doch so sehr diese Argumentation auf einer nachvollziehbaren Basis fundiert, so wenig taugt sie dazu, den Widerspruch zwischen der Funktion des Humboldt Forums und der Kuppelinschrift aufzulösen.

Abschied vom Absolutismus

Wie vielschichtig die Bibelverse gedeutet werden können, zeigt ein weiterer Ansatz des Kunsthistorikers Peter Stephan. Die Schlosskuppel dient seiner Ansicht nach als Abgrenzung gegen Cäsarenwahn und absolutistische Herrschaftsansprüche. Friedrich Wilhelm hätte darin zum Ausdruck bringen wollen, dass kein Herrscher und kein Staat sich als Heilsbringer betrachten solle. Die Preußen hätten nicht vor dem König zu Knien, sondern mit ihm gemeinsam vor Gott.

Dabei negiert Stephan nicht, dass der Monarch auch eine Abgrenzung zum Freiheitsgedanken der Aufklärung und der demokratischen Revolution von 1848 im Sinn hatte. Der Autor spricht sich vielmehr dafür aus, die unterschiedlichen Sinnschichten in einem breiten Diskurs freizulegen.

Ausblick

Dieser Überblick über die unterschiedlichen Facetten der Diskussion um die Bibelinschrift an der Berliner Schlosskuppel veranschaulicht, dass eine eindimensionale Deutung dem historischen Kontext nicht gerecht wird. Legt man die Aufgeregtheit und den verbissenen Kampf um die Deutungshoheit beiseite, so kann man zu vielschichtigen Ergebnissen und Erkenntnisgewinnen gelangen. Umso mehr sollte nun endlich akzeptiert werden, dass die Kuppel mit dem christlichen Kreuz und der Bibelverse als historisches Zitat rekonstruiert wurden – und zwar als Ergebnis eines demokratischen Prozesses.

Ich plädiere aber auch dafür, gegenüber den von Kulturstaatsministerin Claudia Roth und der Stiftung Humboldt Forum angeregten Formen der Kontextualisierung aufgeschlossener zu agieren. Sie sind temporär angedacht und werden dem Gesamtwerk der Rekonstruktion des Berliner Schlosses keinen Schaden zufügen. Sie werden auch nicht zu einem Niedergang der Kultur beitragen. Eine Entfernung von Kreuz und Schriftband ist kein ernsthafter Teil der Forderungsmasse. Ganz im Gegenteil sehe ich in der Debatte eine Chance für neue Impulse, preußische Herrschaftsvorstellungen zu entschlüsseln und einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln.

2 Kommentare zu “Die Debatte um die Kuppelinschrift am Berliner Schloss

    1. Ich befürchte, ich verstehe nicht, was Sie uns sagen möchten. Ich habe den Kommentar aber trotzdem freigeschaltet. Vielleicht versteht es ja jemand anderes und erläutert es.

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