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Von der Kommende zum Sitz des Hochmeisters
Die Geschichte des Deutschen Ordens ist vielen durch den im Hochmittelalter gegründeten Deutschordensstaat im Baltikum geläufig. Aber das Ende des legendären Ritterordens wurde nicht durch seine Niederlage gegen das polnisch-litauische Heer bei Tannenberg im Jahre 1410 und auch nicht durch die Säkularisation seiner Besitzungen Anfang des 16. Jahrhunderts markiert. Weniger bekannt ist, dass sich der Orden reformierte und seit 1527 mit der Kommende in Mergentheim an der Tauber einen neuen Hauptsitz und somit die Residenz des Hochmeisters wählte. Er existierte dort bis zu seiner Auflösung 1809 durch Napoleon. Das hatte naturgemäß erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung der württembergischen Stadt, der wir uns widmen wollen.
Bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts erlangte der Deutsche Orden Besitz in Mergentheim und errichtete in der Folge eine Kommende. Mit der Befestigung erhielt der Ort 1340 Stadtrechte von Kaiser Ludwig von Bayern. Mit den Johannitern und Dominikanern, später auch den Kapuzinern, siedelten sich weitere Orden in der Stadt an. Infolge der Bestimmung von Mergentheim zum Mittelpunkt der Ordensstruktur des Deutschen Ordens konnte die Stadt seit der Mitte des 16. Jahrhunderts einen raschen Aufstieg verbuchen, der allerdings durch den Dreißigjährigen Krieg unterbrochen wurde. Die Ordensburg wurde in diesem Zuge ausgebaut.

Das Deutschordensschloss
Die Schlossanlage geht auf eine Veste des 11. Jahrhunderts zurück, die im 12. Jahrhundert von den Herren von Weikersheim-Hohenlohe zur Wasserburg ausgebaut wurde. 1219 gelangte diese in den Besitz des Deutschen Ordens, der sie zur Mergentheimer Kommende machte. Die in weiten Teilen neuzeitliche Schlossanlage ist eng mit dem Aufstieg der Kommende zum Sitz des Hochmeisters verbunden. In den Schlossräumen wird heute in einem informativen Museum die Geschichte des Deutschen Ordens im Allgemeinen und speziell in Bezug auf die Stadt Mergentheim thematisiert.

Zentrum der weitläufigen Anlage ist die Hauptburg, die auch den mittelalterlichen Bergfried und die groß dimensionierte barocke Schlosskirche einbezieht. Letztere wurde nach Abbruch des Ostflügels der Burg in den Jahren zwischen 1730 und 1736 unter Beteiligung des Architekten und Stuckateurs Franz Joseph Roth errichtet. Der einschiffige Bau besticht durch seine geschwungene Pilasterfassade im Schlosshof und die den Chor flankierenden Türme. Nördlich der Hauptburg schließt ein stattlicher Torturm mit reichen Renaissancegiebeln und perlenbesetzten Portalanlagen an. Er bildet den Zugang von der Stadt in die Vorburg. Ihm folgt weiter ein Kranz von Wirtschafts- und Verwaltungsgebäuden, hinter denen schließlich der Schlosspark liegt.

Im späten 16. Jahrhundert wurde der Westflügel des Schlosses errichtet. Ihm zugehörig sind zwei Treppentürme mit virtuos gestalteten Wendeltreppen. Der in der Nordwestecke des Hofes stehende Treppenturm ist ein Werk von Blasius Berwart, der 1571 die Bauleitung am Mergentheimer Schloss übernahm. Zuvor war der Baumeister am Alten Stuttgarter Schloss tätig und wurde nach seiner Aufgabe in Mergentheim vom Orden für Bauaufgaben am Königsberger Schloss nach Ostpreußen entsandt. Die besagte Wendeltreppe verfügt über eine Spindel, bei der sich sieben tauförmig gedrehte Säulchen emporwinden und damit einen Hohlraum ausbilden. Die Unterseite der Treppe ist mit reich besetzten Ornamentbändern versehen. Die etwas jüngere Wendeltreppe im südwestlichen Turm ist dagegen mit einem spätgotischen Netzrippengewölbe versehen, die nicht minder kunstvoll ausfallen, aber stilistisch fast schon ahistorisch wirken.


Ein Stadtrundgang
Rund um den Marktplatz
Ein Stadtrundgang sollte im Zentrum der Stadt, dem langgestreckten Marktplatz, starten. Genau genommen besteht dieser aus zwei Platzanlagen, die von dem solitär stehenden Rathaus geschieden werden. Der dreigeschossige Steinbau mit Staffelgiebeln ist 1562 bis 1564 von Hans von Erlenbach unter dem Deutschmeister Wolfgang Schutzbar errichtet worden. Die nördliche Schmalseite des Marktes wird vom auffälligsten Bauensemble der Stadt eingenommen, den barocken Zwillingshäusern aus dem späten 18. Jahrhundert, hinter denen sich die gotische Pfarrkirche St. Johannes mit ihrem markanten, renaissancebekrönten Turm erhebt.

Um den Marktplatz gruppieren sich zahlreiche Zeugnisse der von unterschiedlichen Orden geprägten Stadtgeschichte. Nördlich der Johanniskirche steht stimmungsvoll das Martinsspital mit der kleinen barocken Martinskapelle. Die schlichte Vierflügelanlage besitzt ihren gestalterischen Höhepunkt in der über einem Portal befindlichen Wappentafel des Deutschmeisters Franz Ludwig. Im Süden der Altstadt befindet sich die Marienkirche, die ehemalige Dominikaner-Klosterkirche aus dem 14. Jahrhundert. Die Kapuziner siedelten sich am Rande der Altstadt im Südosten an. Erhalten hat sich die bescheidene einschiffige Klosterkirche aus dem 17. Jahrhundert.


In den Gassen der Altstadt
In den Gassen rund um den zentralen Marktplatz finden sich zudem einige respektable Zeugnisse bürgerlicher Wohn- und Geschäftsbauten aus der frühen Neuzeit. Auf der Entdeckungstour sollte man das Ritterhaus in der Mühlwehrstraße aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts oder die barocke, als Gasthaus dienende Deutschordensstube in der Krummen Gasse aufsuchen. Aber auch die zwischen Burg und Markt verlaufende Burgstraße ist reich an historischer Bebauung.


Besonders gefallen hat uns die malerische Pfarrgasse, die einst die direkte Verbindung zwischen Ordensschloss und Pfarrkirche darstellte. In ihr steht das 1740 von Ordensbaumeister Franz Josef Roth für den Ordenskanzler Joseph Michael Tautphoeus erbaute Ordenskanzlerhaus (daher auch als Tautphoeus-Haus bezeichnet). Das stattliche Gebäude besitzt ein reich gestaltetes Doppelportal mit Oberlichtern und Hausmadonna und stellt ein herausragendes Zeugnis für die Stadtgeschichte unter dem Deutschen Orden dar.


Ausklang: Schlossgarten und Kuranlagen
Bad Mergentheim ist bauhistorisch durch seine Geschichte als Sitz des Deutschen Ordens seit der frühen Neuzeit entscheidend geprägt worden. Doch die Stadt kann auch auf einer anderen städtebaulichen Ebene punkten. Der Schlossgarten stellt eine bemerkenswerte grüne Lunge in der Innenstadt dar. In ihm steht der 1802 im Rahmen der Umgestaltung als englischer Landschaftspark erbaute Halbmond-Pavillon. Die Gartenanlagen grenzen unmittelbar an die Tauber und leiten somit über zum Kurpark mit den Kuranlagen am gegenüberliegenden Ufer des Flusses. Diese Kombination aus historischem Erbe, Baukultur und Erholung macht Bad Mergentheim zu einem besuchenswerten Ort erster Güte in der Main-Tauber-Region.