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Was ist REGIALOG?
Richtig müsste die Frage lauten: Was war REGIALOG? Denn nach über 14 Jahren sehr erfolgreicher Arbeit wurde das Projekt am 29. Juni 2017 eingestellt.
Qualifizierung für Geisteswissenschaftler
REGIALOG war ein Qualifizierungsprojekt im Rahmen der beruflichen Weiterbildung für Akademiker und richtete sich speziell an Geisteswissenschaftler. Dessen Träger war der Verein zum Erfassen, Erschließen und Erhalten der historischen Sachkultur im Weser-Ems-Gebiet e. V. aus Emden. REGIALOG wurde vor allem von Historikern, Kunsthistorikern, Archäologen, Literaturwissenschaftlern, Ethnologen und Kulturwissenschaftlern wahrgenommen, die ihre Chancen und Perspektiven auf dem für sie schwierigen Arbeitsmarkt positiv beeinflussen wollten. Die Absolventen konnten sich nach ihrer achtmonatigen Ausbildung als Fachreferenten für Kulturtourismus und Kulturmarketing für Stellenprofile bewerben, die den Dialog zwischen Kulturträgern und Touristikern suchten. Sie wurden daher vor allem an Museen sowie Kultur- und Tourismuseinrichtungen vermittelt.
Seminare und Praxiserfahrung
Kennzeichen der Qualifizierung war die Kombination aus Theorie und Praxiserfahrung sowie die Vermittlung von breit angelegten interdisziplinären Kenntnissen. REGIALOG bestand entsprechend aus drei Komponenten: Die Praxiserfahrung erfolgte an einer von über 40 Partnereinrichtungen, die sich aus Museen und Tourismuseinrichtungen zusammensetzte. Die Teilnehmer betreuten dort in aller Regel ein eigenes Projekt, mit dem sie praxisnah in das Arbeitsumfeld eines Kulturtouristikers eingeführt wurden.
Die zweite Komponente bestand aus rund 20 ganztägigen Kompaktseminaren, die zentral in Oldenburg von fachlich spezialisierten Dozenten abgehalten wurden. Hierbei wurden die theoretischen Grundlagen der Museums- und Projektarbeit vermittelt: Projektmanagement, betriebswirtschaftliche Grundlagen, Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, Eventmanagement, Besucherforschung, Museumspädagogik etc.
Das dritte Standbein der Ausbildung bestand aus EDV-Seminaren, die in Kleingruppen in einem eigenen Schulungsraum ebenfalls in Oldenburg stattfanden. Vermittelt wurden Fähigkeiten, die für die kulturtouristische Vermarktung unerlässlich sind: Bildbearbeitung, Desktop-Publishing, Webseitengestaltung mittels Content Management Systemen, Office-Grundlagen etc. Mit diesen Kenntnissen waren die Teilnehmer in der Lage, Flyer, Plakate und Broschüren zu gestalten, die Website ihrer Einrichtung zu verwalten und zu gestalten, die Budgetplanung eines Projektes vorzunehmen oder eine Evaluation auszuwerten. Dies brachte ihnen entscheidende Vorteile auf dem Arbeitsmarkt.
Mit diesem Konzept war REGIALOG bundesweit einzigartig. Die Förderung der Maßnahme erfolgte nach SGB III durch die Arbeitsagenturen und Jobcenter. Die Vermittlungsquote in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis lag 6 Monate nach Abschluss der Maßnahme bei rund 75%.
Die Anfänge
REGIALOG startete mit seinem ersten Durchgang am 1. Februar 2003 als Schwesterprojekt von MUSEALOG. Voran ging eine längere Planungsphase, in der aus einer Idee ein umsetzungsfähiges Konzept wurde. REGIALOG nahm die erfolgreiche Struktur von MUSEALOG auf und entwickelte sie mit neuen Inhalten – Schwerpunkt Kulturtourismus statt Sammlungsmanagement – weiter. Für die Förderung des Pilotprojektes REGIALOG I konnten Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds eingeworben werden, so dass bei diesem Kurs mit einer Laufzeit von 12 Monaten keine Kursgebühren anfielen. Spätere Kurse mussten durch die Vorgaben der Arbeitsagenturen mit einer Laufzeit von 11, dann 9 und schließlich 8 Monaten auskommen. Die Finanzierung erfolgte nun über Bildungsgutscheine, die nach SGB III von den Arbeitsagenturen und Jobcentern ausgestellt wurden.
2005 kam es zu einem Umbruch. Die Partnereinrichtungen, die bisher mit MUSEALOG als auch REGIALOG zusammen arbeiteten, wollten sich von dieser Doppelbelastung lösen. Die Weiterführung von REGIALOG konnte durch die Gewinnung neuer Partner gesichert werden. Unter den neuen Bedingungen startete REGIALOG IV schließlich im Dezember 2005.
Das REGIALOG-Team
Die ersten Projekmitarbeiter
Hauptverantwortlich für die Konzipierung zeichneten Katrin Rodrian und Lars Lichtenberg. Erstere war auch die erste Projektleitung von REGIALOG. Letzterer übernahm gemeinsam mit Karin Edith Schütte das EDV-Training. Als Projektassistenz wurde Jens Artelt engagiert. Für Karin Edith Schütte, die sich schließlich auf MUSEALOG konzentrierte, stieß noch während REGIALOG I Dr. Winfried Bergmeyer zum Team. Für Jens Artelt stieg Heiko Neumann als Projektassistent ab dem zweiten Durchgang von REGIALOG ein.
Nach dem Umbruch des Projektes im Jahre 2005 bestand das Team nur noch aus zwei Mitarbeitern, da Heiko Neumann zu MUSEALOG wechselte, wo er noch heute gute Arbeit leistet. Leiter von REGIALOG wurde nun Lars Lichtenberg. Er sollte REGIALOG in den Folgejahren nachhaltig prägen. Winfried Bergmeyer, der das Projekt für eine Langzeitanstellung Richtung Berlin verließ, wurde ab REGIALOG VI von Anja Hehmann, selbst Teilnehmerin der Weiterbildung, ersetzt. Sie blieb insgesamt vier Durchgänge als EDV-Trainerin.
Langjähriges erfahrenes Team
2009/2010 begann eine neue Ära für REGIALOG. Vom neunten Durchgang an wurde das Team wieder mit einer Projektassistenz aufgestockt. Die Stelle wurde mit Anke Kuczinski, gleichfalls REGIALOG-Teilnehmerin, besetzt. Ab dem zehnten Durchgang beerbte Dr. Damian Kaufmann, Teilnehmer von REGIALOG IX, Anja Hehmann als EDV-Dozent. Damit begann nicht nur meine eigene Geschichte bei REGIALOG, sondern wurde auch die beständigste Zeit des Projektes eingeläutet. Das Team Lichtenberg-Kuczinski-Kaufmann sollte dessen Geschicke bis Mai 2016 steuern und das Gesicht der Weiterbildung am nachhaltigsten prägen.
Im Jahre 2016 mussten schließlich zwei Drittel des langjährigen Teams ersetzt werden. Lars Lichtenberg ging nach über 13 Jahren REGIALOG für eine Festanstellung von Bord, Anke Kuczinski folgte ihm nur wenige Monate später aus gleichem Grund. Beide taten dies sehr schweren Herzens, aber sie hatten an ihren Heimatorten Aufgaben gefunden, die sie unabhängig machten von den stets achtmonatigen Projektverträgen und langen Fahrtzeiten zum Dienstort. Der Vorstand des Trägervereins beschloss darauf hin, die Leitung von REGIALOG und MUSEALOG in einer Hand zu vereinen. Dirk Heisig als Projektleiter und Christin Langermann als Projektassistenz übernahmen nun die Aufgaben. Das Konstrukt hatte nur einen einzigen Kurs Bestand. REGIALOG XX endete am 29. Juni 2017 und war der letzte Durchgang der Weiterbildung.
Partner
Das Feld der Projektpartner, bei denen die REGIALOG-Teilnehmer den praktischen Teil der Weiterbildung absolvierten, setzte sich primär aus Museen zusammen. Hinzu kamen Tourismuseinrichtungen, aber auch Behörden, zu deren Aufgabenbereich die Kulturförderung gehört. Die geographische Ausdehnung entsprach dem Weser-Ems-Gebiet mit Osnabrück im Süden, Meppen im Westen, Bremen im Nordosten und Ostfriesland im Nordwesten. Exemplarisch seien von den mehr als 40 Häusern einige aufgeführt: Ostfriesisches Teemuseum Norden, Ostfriesische Landschaft, Ostfriesland Tourismus GmbH, Historische Museum Aurich, Ostfriesisches Landesmuseum Emden, Kunsthalle Emden, Küstenmuseum Wilhelmshaven, Schiffahrtsmuseum Brake, Nordwolle Delmenhorst, Focke Museum Bremen, Weserburg Bremen, M2C Institut für angewandte Medienforschung Bremen, Wirtschaftsförderung Bremen, Overbeck-Museum Bremen-Vegesack, Deutsches Schiffahrtsmuseum Bremerhaven, Zweckverband Naturpark Wildeshauser Geest, Kreismuseum Syke, Emsländische Landschaft, Tourismusverband Osnabrücker Land, Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück, Varusschlacht – Museum und Park Kalkriese, Tuchmacher Museum Bramsche, Städtische Galerie Nordhorn.
Projekte
Die von den Teilnehmern in den Häusern umgesetzten Projekte sind über die Jahre so zahlreich und vielfältig gewesen, dass das kulturelle Leben insbesondere im ländlichen Raum ohne REGIALOG wohl weniger facettenreich gewesen wäre. Von der Weiterbildung profitierten stets beide Seiten: zum einen die Teilnehmer, die anhand einer verantwortungsvollen Aufgabe ihre praxisrelevanten Kompetenzen erweitern konnten, zum anderen die Häuser, die fachlich hochqualifizierte Akademiker als Mitarbeiter begrüßen durften. Eine klassische Win-win-Situation, wie man gerne sagt!
Eine Vielzahl der Projekte ist jetzt nach dem Ende von REGIALOG als Projektarchiv auf Kultur hoch N zu bewundern. Ohne die Leistungen anderen Projekte schmälern zu wollen, so sind mir doch einige besonders im Gedächtnis geblieben: Als erstes ist die „Straße der Megalithkultur“, eine Ferien- und Kulturroute, zu nennen, die Generationen von Regialogen begleitet haben und die heute eine anerkannte europäische Kulturroute ist. Eine fantastische Ausstellung „Chic im Sozialismus“ über DDR-Mode stellten Barbara Würnstl und Robert Wenzel in der Nordwolle Delmenhorst auf die Beine. Norman Schumann organisierte „Römer on Tour“, ein anlässlich einer Sonderausstellung umgesetztes Event, bei dem sich Legionäre auf einen mehrtägigen Marsch vom Römerlager in Haltern am See nach Kalkriese, an den Ort der Varusschlacht aufmachten. Agnes Kinczer besitzt ein großes Talent für Fotografie und war daher im besonderen Maße an der sehr gelungenen ästhetischen Umsetzung der Website des Historischen Museums Aurich beteiligt. An der Kulturagentur der Ostfriesischen Landschaft begleitete Michaela Ölsner das Kooperationsprojekt „Reise ins jüdische Ostfriesland“, das so erfolgreich war, dass Annette Sievers für das Emsland daran anknüpfen konnte. Als Ergebnis standen schließlich Tagung und Broschüre „Auf den Spuren jüdischen Lebens im Emsland“. Viel Spaß hatten wir mit Lisa Machs Zwergen, die bei der Osnabrücker Kulturnacht für ein Preisausschreiben fungierten und die es bis ins Fernsehen bei RTL schafften.
Zu würdigen sind vor allem die gemeinsamen Projekte, die einige REGIALOG-Durchgänge trotz der nicht unerheblichen Arbeits- und vor allem Pendelbelastung zwischen Einsatz- und Seminarort zusätzlich anstrebten. Hervorzuheben sind eine Image-Broschüre und ein Tischkalender, die von den Kursen XI bzw. XIII kreiert und zur Druckreife gebracht wurden.
Kultur hoch N
Als besonders nachhaltig erwies sich die Idee von REGIALOG XV, das Kulturnetzwerk Kultur hoch N zum Austausch von Kulturträgern und Kulturschaffenden ins Leben zu rufen. Insbesondere das angeschlossene Blog erfreute sich phasenweise zahlreicher bundesweiter Leser aus der Kulturszene. Dies ist umso bemerkenswerter, als dass Kultur hoch N überwiegend ehrenamtlich betrieben wurde und wird. Federführend waren hier Stefanie Karg, Claus Hock und Maike Lammers. Diese Verbundenheit zu REGIALOG auch über die acht Monate Weiterbildung hinaus ist vom REGIALOG-Team stets gefördert und selbst gelebt worden. Es machte das Projekt zu etwas Besonderem. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Kultur hoch N die Tradition von REGIALOG fortführt. Hierzu ist ein eigener gemeinnütziger Verein gegründet worden, in dem ehemalige Team-Mitglieder und Regialogen mitwirken. Für Herbst 2018 ist ein Alumni-Treffen in Planung.
Das Ende
Das Ende von REGIALOG zeichnete sich frühzeitig mit dem Ausscheiden von Lars Lichtenberg und Anke Kuczinski und der unglücklichen Entscheidung ab, beide Weiterbildungs-Maßnahmen unter einer Leitung zu vereinen. Bereits weniger Monate nach Start von REGIALOG XX beschloss der Vorstand des Trägervereins unter dem Vorsitz von Rico Mecklenburg, der das Amt Ende 2014 von Helmut Collmann übernommen hatte, die Einstellung des Projektes zum Kursende am 29. Juni 2017. Offiziell werden hierfür die schlechten Bewerberzahlen als Grund angegeben. Die Ursachen, die zu der rasanten negativen Entwicklung des Projektes führten, sind aber vielschichtig und sollten intern erörtert und aufgearbeitet werden.
Allein das Potential von Kultur hoch N, dessen Blog in der Vergangenheit auf einzelne Artikel mehr Klicks vereinen konnte als die gesamte Website von REGIALOG zusammen, hätte als Marketing-Instrument entscheidend zum Fortbestand des Projektes beitragen können. Die Abtrennung des Netzwerks ist aber leider allen Bedenken zum Trotz im August 2016 vollzogen worden.
Die Entscheidung für das Ende von REGIALOG hinterließ fast ausschließlich Verlierer: Die Kultur im ländlichen Raum, die Projektpartner, die Projektmitarbeiter, die Teilnehmer. Gewonnen hat dagegen MUSEALOG, was sich nun konkurrenzlos auf dem Markt präsentieren kann und sich bereits im ersten Jahr nach REGIALOG über sehr hohe Bewerberzahlen freuen darf.
Ein Projektpartner, der in einem Gespräch MUSEALOG und REGIALOG vergleichend nebeneinander stellte, formulierte es sinngemäß so: MUSEALOG biete den Teilnehmern gute Aussichten auf dem Arbeitsmarkt gegenüber den Mitbewerbern, REGIALOG aber schaffe zusätzliche Betätigungsfelder, es decke einen Bedarf ab, der erst durch derartige Weiterbildungen bedient werden könne, und biete so einen gesellschaftlich relevanten Mehrwert. Aus dieser Sicht sei REGIALOG gegenüber MUSEALOG stets der Vorzug zu geben. Welchen Stellenwert aber REGIALOG zuletzt im Trägerverein besaß, zeigte der Umstand, dass der Vorstand der feierlichen Abschlusspräsentation am Ende des Durchganges XX – der letzten nach 14 Jahren erfolgreicher Projektarbeit – geschlossen fernblieb.
Dieser Blogbeitrag soll das Andenken an ein Projekt bewahren, das sich wohltuend von anderen absetzte und dessen Einstellung vermeidbar gewesen wäre. REGIALOG war für viele mehr als eine berufliche Weiterbildung. Für mich persönlich war es über sieben Jahre lang mehr als nur ein Job, es war eine Herzensangelegenheit, für die es sich einzustehen lohnt. Ich bin glücklich und stolz, dabei gewesen zu sein und mehr als 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Stück weit auf ihrem beruflichen Werdegang begleitet zu haben.
Es war auch für mich eine tolle Zeit bei Regialog 2005. Neben großartigen beruflichen Chancen habe ich tolle Menschen kennengelernt, derer ich noch heute mit Glück und Herzenswärme gedenke: auf der „Arbeitgeberseite“: Lars Lichtenberg, Ludger Kalkhoff, Brigitte Junge, Peter Marx, Eske Nannen; als MitregialogInnen: Inga Weicke, Anne Schliephake, Heidrun ? aus Hannover. Und nicht zuletzt: LÜKKO Leuchtturm. Schade, dass nun alles vorbei ist. Liebe Grüße an alle Ex-Regialog-TeilnehmerInnen und alles Gute für die (berufliche) Zukunft!
Du beschreibst genau das, was REGIALOG ausgezeichnet hat. Neben den für das berufliche Fortkommen relevanten Inhalten – was für eine zertifizierte berufliche Weiterbildung selbstverständlich sein sollte -, sind es die zwischenmenschlichen Beziehungen und die daraus resultierenden Netzwerke gewesen, die den langjährigen Erfolg des Projektes nachhaltig förderten. Es freut mich zu hören, dass dies bereits 2005 so empfunden wurde. Leider ist dieser Leitgedanke in den letzten Monaten von REGIALOG nicht mehr verfolgt worden. Die Konsequenzen spüren vor allem die Kulturbetriebe im Raum Weser-Ems. Viele haben öffentlich oder in persönlichen Gesprächen Bedauern und Unverständnis über das Ende von REGIALOG zum Ausdruck gebracht.