Das Eosanderportal im Fokus der Kritik
Die Rekonstruktion des Berliner Schlosses schreitet weiter voran. Auch wenn das Humboldt-Forum längst eröffnet ist, werden architektonische Details jetzt und in Zukunft weiter vervollständigt. Vor einigen Tagen ist ein wichtiger Meilenstein erklommen worden: Eine Wappenkartusche, an deren Rekonstruktion Experten Jahre gearbeitet haben, ist an ihrem angestammten Platz über dem Eosanderportal angebracht worden. Das barocke Portal ist ein Werk des Architekten Johann Friedrich Eosander, der Andreas Schlüter als Baumeister am Schloss beerbte. Die Kartusche selbst mit Adlern und Palmenzweigen ist in Kupfer gearbeitet und eine Zutat wilhelminischer Zeit und Kunst. Sie stammt von 1902/1903 und basiert auf einem Modell von Otto Lessing.
Und wieder wird der Fortschritt bei der Vervollständigung der Schlossfassaden zum Anlass genommen, die Rekonstruktion und deren Protagonisten zu attackieren. Zu den schärfsten Kritikern des Projektes gehören seit Jahren die Architekturtheoretiker Stephan Trüby und Philipp Oswalt. Trüby hatte bereits vor Monaten darauf hingewiesen, dass die für die Kartusche spendende „Gesellschaft Berliner Schloss“ sich nicht von rechten Tendenzen freisprechen kann. Schatzmeister Daniel Krüger ist für die AfD als Stadtrat tätig. Der zweite Vorsitzende und Kunsthistoriker Guido Hinterkeuser hat vor Jahren eine bundesweite Erklärung von Autoren, Publizisten, Künstlern und Wissenschaftlern unterschrieben, die sich gegen illegale Einwanderung nach Deutschland richtete.
Plädoyer gegen Pauschalisierungen
Aber welche Schlüsse möchte man aus dieser Konstellation ziehen? Bei gesamtdeutschen Zustimmungswerten für die AfD um die 15 % ist es nicht weiter verwunderlich, wenn auch eine konservativ-reaktionäre Klientel an solchen historisch aufgeladenen Rekonstruktionen beteiligt ist. Ich würde eher stutzig werden, wenn dies nicht der Fall wäre. Unter den Tisch fällt dabei dagegen, dass das Gros der Spender und Befürworter des Projekts aus der Mitte der Gesellschaft stammen dürfte. Offensichtlich möchte Trüby den Herren Krüger und Hinterkeuser dies pauschal absprechen. Aber er geht noch viel weiter und sieht rechtsextreme Spender, die „gekommen [sind], um voller Entschlossenheit Bühnenbilder für den politischen Rollback zu bauen“.
Doch eine solche eindimensionale Argumentation ist geeignet, jedes Rekonstruktionsprojekt zu diskreditieren. Entsprechende Spender werden sicherlich immer ausfindig zu machen sein. Hier kommt das unsägliche Kontaktschuldprinzip zur Anwendung, das ich umso mehr ablehne, umso häufiger ich es eingesetzt sehe. Ein Wiederaufbauprojekt und dessen Ergebnis darf in meinen Augen nicht per se abgelehnt werden, nur weil vermeintlich reaktionäre Kräfte es mit Wohlwollen sehen oder gar unterstützen. Hierin möchte ich Trüby und Oswalt zum wiederholten Male entschieden widersprechen.
Das sind wir unseren Stadtbildern schuldig, die in den letzten 80 Jahren durch den Wahnsinn des Krieges und die Ideologie des Aufbaus als autogerechte Stadt vielfach bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet sind. Eine Rekonstruktion kann eine Reparatur des Stadtbildes bewirken und damit gemeinsam mit der Mobilitätswende zu einer besseren Lebensqualität in der Stadt beisteuern.
Kaiserreich- und Abrissphantasien
Übrigens: Regelmäßig, wenn ich mich in die Diskussion einschalte und Mäßigung und Toleranz gegenüber den Standpunkten der anderen Seite erbitte, werde ich von einem der beiden Lager angegangen, zum Teil mit überraschender Hemmungslosigkeit. Von Seiten der Rekonstruktionsfreunde, zu der ich mich grundsätzlich auch zähle, höre ich häufig Schlagworte wie „Gutmensch“ oder „linker Mainstream“. Im konkreten Fall der Wappenkartusche träumt mancher von der Wiederauferstehung des Kaiserreiches, während andere den Wiederaufbau des Palastes der Republik fordern. Lassen Sie mich es kurz zusammenfassen: Das sind Fantasien, die der Radikalität und der Realitätsverweigerung entstammen.
Umso unverständlicher und bedenklicher ist es, wenn der Kunsthistoriker und Kollege aus meiner eigenen Zunft Max Koss im Rahmen der Diskussion um die Wappenkartusche am Eosanderportal den Abriss des Schlosses fordert:
Das Schloss verschandelt die Stadt: ästhetisch und moralisch. Es ist von außen aber auch von innen ein völlig missglücktes Haus. Es gehört abgerissen.
Bei aller berechtigten Kritik, die den Schlossbau begleitet hat und noch immer auf sich vereint, ist dies keine Meinung, die dazu beiträgt, das Berliner Schloss und das Humboldt-Forum im positiven Sinne weiter zu entwickeln. Ich hoffe, seine Studenten an der Leuphana in Lüneburg sind in der Lage, differenzierter zu argumentieren.
wenn sich der Herr Koss bei seinen Abriss-Gedanken auf die Spreefront beziehen würde hätte er Recht. Im Umkehrschluss könnte ja die Barockfassade dem Industrie-Architektur Outfit der leidigen Spreefront angepasst werden. Dazu sollte er mal die Bevölkerung fragen.
Es gibt keinerlei Rechtfertigung, einen gerade errichteten Neubau wieder abzureißen. Schon gar nicht können ästhetische Argumente herhalten.
Ich bin ein Anhänger des Wiederaufbaus unseres einst von roten Sozialisten gesprengten Stadtschlosses. Die linke politische Seite sollte heute besser schweigen und sich an der Rekonstruktion beteiligen. Es ist immer noch die selbe in 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotene KPD, die sich zur Verharmlosung in SED, PDS, Linke umbenannte. Kürzlich koalierten Grüne und SPD mit dieser linksextremen Schloß-Zerstörungspartei in Berlin.
Mag sein, dass die Linken selten bis niemals für den Willen zur Rekonstruktion stehen. Aber was hat dieser parteipolitische Rundumschlag unter meinem Blogartikel verloren, Herr Carius? Das ist nicht mein Thema!
Jede parteipolitische Diskussion hat an dieser Stelle nichts verloren. Es geht um ein in Teilen rekonstruiertes Gebäude nicht mehr und nicht weniger. Niemand kam seinerzeit auf die Idee, die rekonstuierte, wiederaufgebaute Frauenkirche in Dresden als „christliche Machtdemonstration“ oder sonst was interpretieren zu wollen. Sowas gibts nur in Berlin und Potsdam…
Die Debatte ist aber schon eine gesamtdeutsche, unabhängig davon, ob die Bauten in Berlin, Potsdam oder auch in Frankfurt stehen.
Diese ganze Disskusion ist lächerlich, ich bin froh und glücklich, das das Schloss wieder da ist. Mir kommen jedesmal die Tränen vor Freude, wenn ich durch eins der Eingangstore hinein gehe. Und ich bin stolz, mein Scherflein, als kleine Rentnerin dazu bei getan zu haben.
Als lächerlich würde ich diese Debatte nicht bezeichnen. Es ist begrüßenswert, wenn auf alle Facetten und Begleiterscheinungen der Rekonstruktion aufmerksam gemacht wird. Welche Schlüsse man allerdings daraus zieht, das steht auf einem anderen Blatt. Und selbstverständlich ist die Forderung nach dem Abriss der Schlosses an Populismus und Unsinnigkeit kaum zu überbieten.