Die Geschichte einer Ackerbürgerstadt
Es ist eine der vielen Kleinstädte in Vorpommern, an denen man achtlos vorbeifahren würde. Zugegeben, Grimmen ist kein Ort, der mit seiner altstädtischen Bebauung aus meist einfachen Traufenhäusern ins Entzücken versetzt. Ein Tourist verirrt sich hierher schon gar nicht. Und doch sticht die Stadt an der Trebel mit ihrer vom Krieg verschonten Altstadt gegenüber anderen Kleinstädten im pommerschen Binnenland positiv heraus. Neben der Stadtkirche haben sich insgesamt drei Stadttore und das Rathaus aus dem Mittelalter in Formen der Backsteingotik vorzüglich erhalten. Sie gewähren gemeinsam mit dem Straßennetz aus der Zeit der Stadtgründung einen guten Eindruck einer pommerschen Ackerbürgerstadt, für die sich ein kurzer Stopp lohnt.
Grimmen entstand am Zusammenfluss der Poggendorfer und der Kronhorster Trebel, den beiden Quellflüssen der Trebel. 1267 wurde die Stadt erstmals genannt. 1287 ist ein Stadtvogt als Vertreter der Landesfürsten, 1306 zudem ein Rat nachgewiesen. Grimmen erhielt Lübisches Stadtrecht. Mit seinem regelmäßigen Straßennetz gehört Grimmen zu den charakteristischen Stadtgründungen des 13. Jahrhunderts in Mecklenburg und Pommern. In Vorpommern zeigen insbesondere Tribsees, Demmin, Anklam und Pasewalk ähnliche Strukturen. Sie alle sind Teil der deutschen Ostsiedlung und des Landesausbaus im Hochmittelalter in ehemals slawischem Siedlungsgebiet. Eine erste Stadtbefestigung existierte ebenfalls zu dieser frühen Zeit, ist aber bis ins frühe 16. Jahrhundert ausgebaut worden.
Auch die Neuzeit formte die architektonische Gestalt von Grimmen nachhaltig. Die Reformation wurde 1536 eingeführt. Zahlreiche Stadtbrände dezimierten den Bestand an Bürgerbauten. Zuletzt wütete das Feuer 1757 und 1797 derart verheerend, dass das Bild der Stadt von den in der Folge entstandenen ein- und zweigeschossigen Häusern des 18. und 19. Jahrhunderts geprägt wird. Seit 1631 und formell ab 1648 gehörte die Stadt wie das nahe Stralsund zu Schweden. Erst beim Wiener Kongress 1815 wurde diese Fremdherrschaft beendet und Grimmen gelangte an Preußen. Wie viele Binnenstädte des Ostseeraums erreichte der Ort nicht die wirtschaftliche Bedeutung der pommerschen Küstenstädte wie Stralsund, Greifwald oder Stettin. Eine Mitgliedschaft in der Hanse ist für Grimmen anders als bei Demmin und Anklam nie bezeugt.
Rund um Marktplatz und Pfarrkirche
Unser Rundgang startet im Zentrum der Altstadt, am Marktplatz. Bezeichnenderweise wird dieser lediglich durch die Erweiterung des Straßenzuges geformt und bildet daher eine eher bescheidene Anlage heraus. Der prägende Bau ist das Rathaus aus dem späten 14. Jahrhundert. Seine Schmalseite bildet zum Platz hin eine repräsentative Fassade mit Laubengang und siebenachsigem Giebel aus. Die Gestaltung steht unter märkischem Einfluss. Neben dem spätgotischen Kalandhaus (der Name leitet sich von der hier ansässigen Kalandsbruderschaft ab) am Kirchplatz ist es der einzige Profanbau aus dem Mittelalter in Grimmen.
In Sichtweite steht die einzige Pfarrkirche der Stadt, St. Marien. Das Langhaus ist als ältester Teil des Baus um 1300 begonnen, aber erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts fertiggestellt worden, was darauf schließen lässt, dass der Chor eines Vorgängerbaus zu diesem Zeitpunkt noch gestanden hat. Die Hallenkirche ist mit ihren oktogonalen Pfeilern ein typischer Vertreter der binnenländischen Backsteingotik im südlichen Ostseeraum, wenngleich die Raumproportionen etwas gedrungen und provinziell wirken. Umso bemerkenswerter zeigt sich der jüngere Hallenumgangschor, der in der Mitte des 15. Jahrhunderts vollendet wurde. Diese repräsentative Raumform dürfte von märkischer Architektur angeregt worden sein.
Die Stadttore
Als architektonischer Höhepunkt Grimmens können die drei mittelalterlichen Stadttore gelten. Auch wenn ihre Ausgestaltung und die Dimensionen nicht mit Anlagen wie in Neubrandenburg mithalten können, ist die alleinige Tatsache von drei erhaltenen Tortürmen bemerkenswert. In unzähligen Fällen sind diese nämlich bei der Ausdehnung der Städte im 19. Jahrhundert als störende Gegebenheit beseitigt worden – nicht so in Grimmen. Sie lokalisieren bis heute die drei Stadtzugänge und die Ausfallstraßen nach Westen (Tribseer Tor bzw. Mühlentor), Norden (Stralsunder Tor) und Osten (Greifswalder Tor).
Grob gesprochen ist allen Toren gemein, dass ihre Untergeschosse bereits im 13. Jahrhundert standen und eine Erhöhung mit den charakteristischen Staffelgiebeln mit den gliedernden Blenden um oder kurz vor 1400 erfolgte. Am Eindrucksvollsten zeigt sich das Tribseer Tor, zumal in Kombination mit der Westfassade der in Nachbarschaft stehenden Marienkirche. Gemeinsam mit unweit vor dem Stadttor fließenden Poggendorfer Trebel ergibt sich daraus die wohl malerischste Ansicht von Grimmen.
Grimmen kann sich damit sicherlich nicht mit den Hansestädten der Ostseeküste messen, doch vermittelt es einen guten Eindruck einer charakteristischen pommerschen Binnenstadt. Architektonisch offenbart sich die Zugehörigkeit zur weitgespannten norddeutschen Backsteingotik. Im Speziellen sind Beziehungen zur mittelalterlichen märkischen Architektur zu erkennen. Auffällig und für kleinere Städte dieser Art nicht untypisch ist, dass neben den großen Leitbauten kein Bürgerhaus die häufigen Stadtbrände überdauert hat. Eine gewisse Provinzialität ist diesen Städten zu eigen, ohne dass dies abschätzig zu werten ist.