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Karlskrona – Marinestadt und Weltkulturerbe in Blekinge

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Karlskrona - Werftanlagen auf Lindholm 1877
Werftanlagen auf Lindholm 1877 – noch heute weitgehend unverändert

Entwicklung zur Festungsstadt

Karlskrona in der südschwedischen Provinz Blekinge ist eine verhältnismäßig junge Stadt. Und doch ist sie voller Geschichte und ein UNESCO-Weltkulturerbe. Das hängt entscheidend mit ihrer geografischen Lage und den geopolitischen Verhältnissen in der frühen Neuzeit in Skandinavien zusammen.

Als 1658 im Frieden von Roskilde unter anderem die Provinzen Schonen, Blekinge und Halland von Dänemark an Schweden kamen, benötigte die schwedische Krone im südlichen Schärengürtel einen Militärstützpunkt für die Marine. König Karl XI. verlieh im Jahre 1680 der nach im genannten und von ihm auf der Insel Trossö gegründeten Stadt Stadtrechte. Karlskrona nahm damit auf schwedischer Seite die Rolle einer Festung ein, die das nur wenige Jahrzehnte zuvor von Dänemark gegründete Kristianopel ersetzte. Die Marinestadt stieg in den folgenden Jahrzehnten zu einer der größten Städte Schwedens auf, während das nur wenige Kilometer entfernte Kristianopel seine Rolle als Grenzfestung letztlich verlor und verfiel.

Plan von Karlskrona 1806
Stadtplan von Karlskrona von 1806 mit der zentralen Insel Trossö, vorgelagert Lindholmen im Süden und Stumholmen im Osten

Die ersten Pläne für Stadt und Festung stammten von Erik Dahlberg und Carl Magnus Stuart. Die Lage der Stadt war klug gewählt, denn die vorgelagerten Schären bildeten einen natürlichen Schutz vor seeseitigen Angriffen. Entsprechend wurden an den Fahrrinnen weitere Festungsbauwerke errichtet, wie sie noch heute beeindruckend auf den Inseln zu sehen sind. Unsere Empfehlung ist daher ein Ausflug auf die Schäreninsel Aspö, auf der sich die hervorragend erhaltene Festung Drottningskär aus dem späten 17. Jahrhundert befindet. Von hier aus zeigt sich ein fulminanter Blick auf die gegenüberliegende Festung Kungsholm, die der Insel Tjurkö vorgelagert ist. Sie steht für den Besucherverkehr offen.

Barockes Stadtbild

Der Marktplatz

Das Stadtbild Karlskronas ist ein Musterbeispiel des nordischen Barocks. Das wird insbesondere am geradezu überdimensionierten Marktplatz (Stortorget) deutlich, der als größte historische Anlage seiner Art in Schweden zu gelten hat. Er befindet sich erhöht in der Mitte der Stadt auf der Hauptinsel Trossö. Von hier erfassen wir eindrücklich, wie hügelig das Gelände ist, auf dem Karlskrona errichtet wurde.

Die Platzanlage wird umstanden von zahlreichen Barockbauten, wodurch sich ein außerordentlich geschlossenes Straßenbild ergibt. Immer wieder zog es uns hierher zurück – gezielt oder weil es als beherrschendes Zentrum der historischen Stadt kaum zu umgehen ist. Die Ostseite des regelmäßigen Platzes beherrscht die 1720 begonnene, aber erst 1741 geweihte Friedrichskirche (Fredrikskyrkan) mit ihrer Doppelturmfassade. Die Südseite wird vom Zentralbau der 1697 bis 1709 errichteten Dreifaltigkeitskirche (Trefaldighetskyrkan) mit ihrem dominanten Portikus eingenommen. Das klassizistische Rathaus im Norden entstand nach einem Stadtbrand ab 1790. In der Platzmitte steht das Denkmal für den Stadtgründer Karl XI.

Nicodemus Tessin der Jüngere

Beide Kirchenbauten am Stortorget sind Schöpfungen des wohl bedeutendsten schwedischen Barockarchitekten: Nicodemus Tessin der Jüngere. Tessin war auch Architekt des Stockholmer Stadtschlosses. Die Bezüge zum italienischen und speziell römischen Barock sind in seinen Bauten – so auch in Karlskrona – unverkennbar. Grund dafür ist vor allem die Tatsache, dass der Schwede sein Architekturstudium bei keinem Geringeren als Giovanni Lorenzo Bernini in Rom absolvierte.

Karlskrona - Dreifaltigkeitskirche
Dreifaltigkeitskirche auf dem Marktplatz

Wir verlassen den Stortorget vorbei an der Dreifaltigkeitskirche durch die Södra Kungsgatan bergab Richtung Süden. Die Straße ist gesäumt von historischen Bauten aus Holz und Stein. Fast übersieht man dabei ein Kuriosum, das sich in der Straßenmitte in einer Senke befindet und sobald nach Norden und Süden in Tunneln verschwindet. Es handelt sich dabei um eine bereits im 19. Jahrhundert angelegte Bahnlinie, die den Marktplatz und andere höher gelegene Teile der Altstadt untertunnelte.

Die Admiralitätsbauten rund um die Kirche Ulrica Pia

Die Sichtachse, welche durch Straße und Bahntrasse erzeugt wird, kulminiert in einer hölzernen Turmkonstruktion von 1699, die sich majestätisch auf dem höchsten Punkt einer Grünanlage, dem Admiralitätspark, erhebt. In der Vollendung einer barocken Stadtanlage wird hier der Admiralitätsglockenturm in Szene gesetzt!

Die zugehörige steinerne Kirche wurde nie errichtet. Zum Glück, muss man fast sagen, denn dadurch blieb die ältere, 1685 geweihte Admiralitätskirche Ulrica Pia (benannt nach Ulrike Eleonore von Dänemark, der Gemahlin König Karls XI.) als Kirche des Werftareals erhalten. Als temporäres Provisorium gedacht, handelt es sich bis heute um die größte Holzkirche Schwedens. Sie steht im Südosten der Hauptinsel Trossö in auffallender Entfernung zu ihrem Turm im Admiralitätspark. Vor der Kirche steht der legendäre Rosenbom, eine bereits im 18. Jahrhundert bezeugte Figur als Sammelbüchse für die Armen.

Karlskrona - Admiralitätskirche Ulrica Pia
Admiralitätskirche Ulrica Pia

Marineareale und Werft

Der gesamte südliche Teil von Trossö war und ist als Marinegelände und Werft durch eine Mauer von der zivilen Stadt abgetrennt und daher nur mit Führung zugänglich. Vorgelagert sind die mittlerweile zusammengewachsenen Inseln Lindholmen und Söderstjärna, auf denen sich unter anderem eine historische Seilerei (Repslagarbanan) in einem rund 300 Meter langen Holzgebäude mit Kopfbauten befindet. Doch die Bedeutung der Marine für Karlskrona wird dem Besucher auch vom Wasser aus oder beim Flanieren entlang der von Marinebauten mit beeindruckenden klassizistischen Fassaden gesäumten Vallgatan deutlich. An ihrem Ende stehen am Wasser die Bastion Aurora und die staatliche Residenz des Gouverneurs von Blekinge.

Weitaus einfacher ist der Zugang zur östlich der Stadt vorgelagerten Insel Stumholmen. Hier waren vor allem die Werkstätten und das für die Schifffahrt wichtige Handwerk angesiedelt. Gleich am Brückenkopf begrüßt uns die 1730 errichtete Bäckerei (Kronobageriet) für die Seefahrer. Ganz im Süden liegt die Bastion Kungshall mit ihrem historischen Lagerhaus. Der Besuch der kleinen Insel lohnt aber vor allem in Hinblick auf das Marinemuseum, das ich im Anschluss etwas ausführlicher vorstellen möchte. Insgesamt besitzt Karlskrona damit einen einzigartigen Marine- und Werftkomplex des späten 17. und des 18. Jahrhunderts mit Welterbestatus.

Das Marinemuseum

Schiffe und Barkassen

Das Marinemuseum in Karlskrona dürfte neben dem barocken Stadtbild der wichtigste Grund sein, um diesem Ort einen längeren Besuch abzustatten. Das Haus verfügt über mehrere Museumsschiffe, eine über mehrere Stockwerke reichende Dauerausstellung sowie einen Schaluppen- und Barkassenschuppen. Zudem existiert eine U-Boot-Halle, in der uns angesichts der Monumentalität der vor uns aufragenden Wassergefährte der Atem stockte.

Karlskrona - Marinemuseum
Das Marinemuseum mit dem Segelschulschiff Jarramas

Aber fangen wir ganz von vorne an und bleiben zunächst im Außenbereich des Museums. Die am Kai vor dem Museumsgebäude befestigten Schiffe – Schnell- und Minensuchboote – sind alle frei zu besichtigen. Ein echter Hingucker ist das Segelschulschiff Jarramas, ein im Jahre 1900 gebauter Dreimaster, der am Ende des Kais aus dem Wasser ragt und ein von Land und Wasser weit sichtbares Wahrzeichen darstellt.

Nicht minder interessant: die zahlreichen Barkassen, vor allem aus dem 19. Jahrhundert, im Schaluppen- und Barkassenschuppen. Um sie herum ist eine kleine Ausstellung zur Nutzung und Ausstattung dieser kleinen Schiffe realisiert. Der Schuppen ist übrigens um 1787 errichtet worden, um das Problem der Witterungseinflüsse auf die kleinen Schiffskörper zu bekämpfen. Insofern befinden wir uns hier an einem Originalschauplatz.

Karlskrona - Marinemuseum - Schaluppen- und Barkassenschuppen
Schaluppen- und Barkassenschuppen

Die U-Boot-Halle

Nachdem wir das eigentliche Museumsgebäude betreten, wenden wir uns zunächst der U-Boot-Halle zu. Aus der Dunkelheit ragen hier zwei U-Boot-Körper in die Höhe, die den Raum fast unheimlich füllen. In der Halle können wir uns anschaulich über die Entwicklung und Geschichte der schwedischen U-Boot-Technik informieren. Mit der „Hajen“ steht hier zudem das älteste U-Boot der schwedischen Marine, das 1904 zu Wasser gelassen wurde. Leider ist es nur noch eine Hülle; das Innenleben hat die Zeit nicht überdauert.

Daneben schaut uns die „HMS Neptun“ mit ihren Torpedorohren am Bug grimmig an. Sie wurde 1980 in Dienst genommen und bereits 1998 wieder außer Dienst gestellt – ein Relikt des Kalten Krieges. Und tatsächlich ist es möglich, sich vor Ort durch den voll mit Elektronik und Waffentechnik bestückten Rumpf zu bewegen. Spätestens, wenn man sich unbeholfen durch die engen Schotten zwängt, kommt ein Gefühl von „Das Boot“ auf!

Karlskrona - Marinemuseum - U-Boot-Halle
U-Boot-Halle im Marinemuseum

Die Ausstellung

Geschichte der schwedischen Marine

Die Ausstellung des Marinemuseums erzählt auf zwei Ebenen die 500-jährige Geschichte der schwedischen Marine aus verschiedenen thematischen Perspektiven. Dabei nimmt Karlskrona natürlich eine zentrale Rolle ein. Empfehlung: Die Museums-App ist mit integriertem Audioguide auch in deutscher Sprache nutzbar! Ein ganz besonderes Erlebnis ist dabei vor allem der Abstieg in den Schiffswrack-Tunnel. Dort bietet sich ein wirklich ungewöhnlicher Blick auf ein Schiffswrack des 17. Jahrhunderts, das hier an Ort und Stelle gesunken ist.

Als Geburtsstunde der schwedischen Marineflotte gilt der Kauf von zehn Schiffen aus der Hansestadt Lübeck durch Gustaf Wasa im Jahre 1522. Wasa nutzte sie für den Krieg gegen die dänische Herrschaft in Schweden. Mustergültig werden anhand realer historischer Personen die Aufgaben und Lebensbedingungen an Bord der Schiffe, den Werften und Hafenanlagen sowie im Dienst der Marine in den folgenden Jahrhunderten dargestellt. Handwerker, die für Bau, Ausrüstung und Unterhalt der Schiffe notwendig waren, berichten von ihrem Leben in Karlskrona.

Von höchster Bedeutung für eine effiziente Flotte war die Kunst der Navigation und des Schiffbaus. Bei letzterem tat sich Ende des 18. Jahrhunderts der Schiffsbaumeister Fredrik Henrik af Chapman hervor. Im Zeughaus wurden nicht nur Waffen und Munition verwahrt, sondern auch Modelle zur Waffenkonstruktion. Unter König Gustav III. spielte die schwedische Flotte und somit auch die Marinestadt Karlskrona im schwedisch-russischen Krieg 1788 bis 1790 eine wichtige Rolle. Im Museum wird in diesem Kontext die Seeschlacht von Wyborg in Karelien am 3. Juli 1790 nachgestellt. Eine lebensgroße Szenerie auf einem Kanonendeck lässt den Besucher tief in das Geschehen eintauchen. Auch die in der abschließenden Halle aufgestellten Galionsfiguren gehören überwiegend der Zeit um 1800 an. Diese Tradition verschwand im Laufe des 19. Jahrhunderts mit dem Aufkommen von Kriegsschiffen aus Stahl.

Der Kalte Krieg

Im Obergeschoss erwartet uns ein Zeitenwechsel. Wir befinden uns urplötzlich im Kalten Krieg. Es geht um Wehrpflicht, militärische Krisensituationen, Schwedens Neutralität und die Jagd auf U-Boote in der Ostsee. Dargestellt wird zudem, wie der Kalte Krieg das Alltagsleben der Menschen beeinflusste. Im Mittelpunkt stehen die 1980er Jahre. Wir lernen etwas über die Entwicklung von Torpedos, aber der Funke will doch nicht so richtig zünden. Denn nach der frühneuzeitlichen Marinegeschichte, die im Untergeschoss des Museums vorbildlich erzählt wird, sowie nach all der damit eng verzahnten Stadtgeschichte, die sich noch heute im Stadtbild bis ins Detail widerspiegelt und den Ruf als Weltkulturerbe erst möglich macht, erscheint uns der thematische Sprung im Obergeschoss, der die Entwicklung des 19. Jahrhunderts kaum berührt, doch zu gewagt.

Louis Jean Desprez - Der Ausbruch aus der Viborg-Bucht am 3. Juli 1790
Louis Jean Desprez – Der Ausbruch aus der Viborg-Bucht am 3. Juli 1790

Gutshof Skärva

Müssen wir jetzt Karlskrona mit diesem unbefriedigenden letzten Eindruck verlassen? Er würde dieser großartigen Stadt nicht gerecht werden. Für diesen Fall haben wir uns aber einen Besuch des Gutshofs Skärva (Skärva Herrgård) in den Schären knapp außerhalb von Karlskrona aufgespart. Den Landsitz ließ sich jener bereits erwähnte Schiffsbaumeister Fredrik Henrik af Chapman in den Jahren 1785 und 1786 vom Architekten Carl August Ehrensvärd errichten.

Das einstöckige Hauptgebäude ist mit einem zentralen kuppelartig gewölbten Raum konzipiert. Mit seinem Portikus und den dorischen Säulen weist der Außenbau bereits die noch junge klassizistische Formensprache auf. Doch auch die im weitläufigen Garten verstreuten Nebenbauten wie der neugotische hölzerne Glockenturm zeigen die damals neuesten Entwicklungen der europäischen Architekturgeschichte. Heute gehört Skärva Herrgård ebenfalls zum Weltkulturerbe Karlskronas und ist eine exquisite Pension, Veranstaltungsort sowie Hochzeitslocation.

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