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Kommentar zum Abriss des Alten Gasthofes in List auf Sylt

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Abriss Alter Gasthof List auf Sylt
Abriss des Alten Gasthofes in List auf Sylt am 30. Dezember 2022, Foto: Anke Dreeskamp

Investor überrumpelt Behörden

Sylt ist nicht nur die Insel der Schönen und Reichen, sondern auch der Immobilienspekulanten. Dass dies katastrophale Folgen für die historische Bausubstanz der Inselorte haben kann, bewies nicht zuletzt ein illegaler Vorgang rund um den Alten Gasthof in List im Dezember letzten Jahres. In einer Nacht- und Nebelaktion hat der Unternehmer Andreas Kammholz das kurz zuvor gekaufte Reetdachhaus am 30. Dezember ohne entsprechende Genehmigung abreißen lassen. Bis zu seiner Schließung im Jahre 2021 war das Gasthaus mit einer mehr als 200jährigen Tradition eine der angesagtesten Adressen in List.

Das gewählte Datum zwischen den Jahren, abseits jeglicher Behördentätigkeit, war dabei sicher bewusst gewählt – ebenso die Tatsache, dass der Eigentümer in den folgenden Wochen im Urlaub weilte, um sich dem Zorn der Lister Bürger und Sylter Politik nicht aussetzen zu müssen. In den Monaten zuvor gab es Bemühungen, das ehrwürdige Friesenhaus aus dem Jahre 1650 unter Denkmalschutz zu stellen. Ein Vor-Ort-Termin der Denkmalschutzbehörde war bereits in Planung. Der möglichen Unterschutzstellung ist der Eigentümer zuvorgekommen.

Kritik und Folgen

Das Entsetzen über den Abriss und der Widerstand gegen eine gewinnbringende Neubebauung des Areals folgten prompt – und zwar von fast allen Seiten. Zum einen sind es die Bürger selbst, die Protest organisieren. Doch auch ein Interessenverband der Sylter Unternehmer übt scharfe Kritik am Vorgehen von Kammholz. Man fordert stringenteren Denkmalschutz und wesentlich höheren Strafen bei dessen Missachtung, um eine Wiederholung derartiger Vorgänge zu unterbinden.

Der Skandal ging nun in die nächste Runde. Der Kreis Nordfriesland hatte dem Eigentümer für den rechtswidrigen Abriss des Gasthauses einen Bußgeldbescheid über 30.000 € zukommen lassen, den dieser bereits akzeptierte. Diese Summe ist allerdings angesichts der zu erwartenden Gewinnmarge bei der geplanten Bebauung des Grundstücks mit Doppelhaushälften ein zahnloser Tiger und ein Hohn.

Der Lister Bürgermeister Ronald Benck und die Amtsinhaber weiterer Sylter Gemeinden wollten diese Entscheidung nicht hinnehmen. Gestützt auf mehrere Rechtsgutachten, die ein Bußgeld von mindestens 500.000 € für möglich hielten, wurde eine Fachaufsichtsbeschwerde beim Innenministerium in Kiel eingereicht. Doch angesichts der Rechtskraft des Bescheids dürfte der Gemeinde jetzt lediglich die Möglichkeit bleiben, dem Eigentümer über die Verweigerung der Baugenehmigung doch noch zu Rechenschaft zu ziehen.

Präzedenzfall über die Region hinaus

Da letztlich der ursprüngliche Bußgeldbescheid Bestand haben sollte, hätten wir hier einen Präzedenzfall mit verheerender Wirkung vor uns. Er könnte weit über Sylt hinaus Folgen zeigen. Danach wäre der Weg frei für jeden abrisswütigen Spekulanten, der mit der Beseitigung historischer Bausubstanz das große Geld machen möchte. Die zu erwartenden Bußgelder würden die erhofften Gewinne durch Neubebauung nur minimal mindern.

Dass solche Überlegungen auch anderorts angestellt werden und kein Einzelfall sind, zeigen illegale Abrisse von denkmalgeschützten Bauten in Dresden oder München. Auch in Lübeck ist jüngst eine spätklassizistische Villa unter zweifelhaften Umständen einem Investor zum Opfer gefallen. Die Denkmalschutzbehörden sollten ihre Prioritäten neu definieren, um nicht zum Spielball oder gar Handlanger skrupelloser Immobilienhaie zu werden.

3 Kommentare zu “Kommentar zum Abriss des Alten Gasthofes in List auf Sylt

  1. Im konkreten Fall ist es für mich überhaupt sehr fraglich, wieso ein knapp 400 Jahre altes Friesenhaus nicht auf der Denkmalliste steht. Davon 200 Jahre traditionelle Gaststätte auf einer Vorzeigeinsel. „Ein Vor-Ort-Termin der Denkmalschutzbehörde war bereits in Planung“ – ach was, ist ja interessant. Was machen die eigentlich so im Hauptberuf, möchte man fragen?

    Es ist fast immer das gleiche Übel. Erscheinen Investoren, dann wird diesen und deren Aussagen quasi blind vertraut, was offensichtlich schon lange kein ausschließlich ostdeutsches Phänomen mehr zu sein scheint. Wurden aber plötzlich unangekündigt die vernichtenden Tatsachen geschaffen, ja dann gibt es „Entsetzen“, „Bedauern“ und „Forderungen zur Umkehr“. Was sagt eigentlich die Denkmalschutzbehörde zu diesem Fall (ich frage nur rhetorisch, nicht Sie persönlich Herr Kaufmann)?

  2. Hoffentlich wird, ganz genauso, wie bei dem ähnlich schlimmen Beispiel der illegal abgerissenen Villa in Dresden / Tolkewitz, in diesem Fall Herr Kammholz, als erwiesen kriminell baukulturzerstörerischer Immobilienspekulant, letztendlich per Gerichtsurteil zum akribisch detailgetreuen Wiederaufbau des 400 jährigen Lister Gasthauses gezwungen.

    1. Juristisch ist der Fall auf Sylt abgeschlossen. Eine Pflicht zum Wiederaufbau kommt allein deshalb nicht in Frage, weil das Gebäude nicht unter Denkmalschutz stand. Das unterscheidet das Geschehen in Dresden.

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