Inhalt
Historisches
Stammland der Lipper
Der Fluss Lippe, die Stadt Lippstadt und das Haus Lippe tragen in ihrer Bezeichnung dieselben Wurzeln. Namensgebend war der Flusslauf, dessen Quelle in Bad Lippspringe im Eggegebirge nahe Paderborn liegt. Die Lippe ist einer der prägenden Flüsse Westfalens und fließt schließlich bei Wesel in den Rhein.
Das Stammland der Herren von Lippe ist um das von ihnen gegen 1140 gegründete Prämonstratenserinnenkloster Cappel und die wichtige Lippefurt, an der die Stadt Lippstadt entstand, anzusiedeln. Die nahe Burg Lipperode – heute Ruine – darf wahrscheinlich nicht als Stammsitz der 1123 erstmals erwähnten Lipper angesehen werden, weil sie einige Jahrzehnte jünger zu datieren ist. Die Tatsache, dass Lippstadt und das Umfeld mit Ausnahme einiger Exklaven schließlich nicht den Kerngebieten der späteren Grafschaft Lippe angehörten, ist auf Erbteilungen und Erbstreitigkeiten seit dem 14. Jahrhundert zurückzuführen. Die Residenz der bedeutendsten Linie der Herren von Lippe siedelte im 15. Jahrhundert nach Detmold um.
Stadtgeschichte
Aber gehen wir in die Anfänge der Stadt zurück: Erste Siedlungsstellen werden Anfang des 12. Jahrhunderts südlich der Lippefurt angenommen. Wir haben es hier mit einem Sitz der Edelherren zur Lippe zu tun, bei dem sich eine Kaufmannssiedlung um die Nikolaikirche, die älteste Kirchengründung Lippstadts, formierte. Um 1185 kam es dann zur Gründung eines Marktes und eines Augustinerchorfrauenstifts durch Bernhard II. Auch der Baubeginn der Marktkirche St. Marien ist in dieser Zeit anzusetzen. Die Verleihung der Stadtrechte folgte schließlich um 1220 nach Soester Vorbild. Nach der Erweiterung der Stadt durch das Jakobiviertel nach Süden wurde Ende des 13. Jahrhunderts eine Stadtmauer errichtet. Mit dem Beitritt zum Werner Bund im Jahre 1253 stieg Lippstadt zu den führenden Handelsstädten Westfalens auf.
Lippstadt war im Jahre 1524 die erste Stadt Westfalens, in der der evangelische Glaube praktiziert wurde. Die Reformation behauptete sich dauerhaft. Im 17. Jahrhundert erfolgte unter brandenburgischer Herrschaft der Ausbau zur Festungsstadt. Vom damaligen Wohlstand der Stadt zeugen einige Bürgerhäuser des 17. und 18. Jahrhunderts.
Architektur
Marienkirche am Markt
Lippstadts architektonisches Erbe präsentiert sich primär im Sakralbau, allen voran in der Marienkirche, der Pfarrkirche am Marktplatz. Die im späten 12. Jahrhundert begonnene Stufenhalle mit gebundenem System ist typenbildend für eine Reihe ähnlicher Hallenbauten im Münsterland wie die Zisterzienser-Klosterkirche Marienfeld oder die Johanniskirche in Billerbeck gewesen. Der monumentale Bau besticht zudem durch seine reiche, spätromanische Außengliederung an den Portalen und Giebeln. Letztere sind reichhaltig besetzt mit Blendarkaden und ebensolchen Rosetten. Die Vielgliedrigkeit des Baukörpers wird nicht zuletzt von den markanten Chorflankentürmen erzeugt. Der Chor der 1222 geweihten Kirche ist Ende des 15. Jahrhunderts durch einen weit ausladenden Hallenumgangschor ersetzt worden, fügt sich aber durch die einheitliche farbliche Gestaltung vorzüglich zu einem homogenen Gesamtbild.
Der geräumige Innenraum zeigt die für die westfälische Architektur des beginnenden 13. Jahrhunderts prägenden Domikalgewölbe, die in der Vierung noch mit den ursprünglichen acht runden Rippen und Scheitelring aufwarten. Die mit Halbsäulen besetzten Pfeiler besitzen Kelchblockkapitelle mit aufwendig gestaltetem, stilisiertem Blattwerk – auch dies typisch für eine Bauzeit um 1220. Auffälligste Ausstattungsstücke sind das hoch aufragende, spätgotische Sakramentshäuschen und der frühbarocke, ehemalige Hochaltar, der heute an der Westwand des Langhauses aufgestellt ist.
Stiftskirche St. Maria und weitere Sakralbauten
Ein wahres Kleinod frühgotischer Sakralarchitektur stellt die Augustinerchorfrauen-Stiftskirche St. Maria in der nordwestlichen Altstadt dar. Der Hallenkirchenbau, der seit Beginn des 19. Jahrhunderts zur Ruine verfiel, entstand ab 1230/40 an einem nur wenig älteren Westbau. Der Chor wurde Anfang des 14. Jahrhunderts erneuert. Von den Stiftsbauten haben sich nur geringe Reste erhalten.
Gestalterischer Höhepunkt des Kirchenbaus sind die mehrbahnigen Fensteröffnungen mit abwechslungsreichen frühen Maßwerkformen, die die nur wenige Jahre später entstandenen Lösungen am Paderborner Dom und schließlich die virtuosen hochgotischen Fensterformationen des Mindener Domes stilistisch vorbereiten. Die Pfeiler sind von ähnlicher Gestalt wie an der oben beschriebenen Marienkirche, führen aber mit ihren Knospenkapitellen eine geringfügig jüngere Entwicklungsstufe vor.
Von der ältesten Kirchengründung Lippstadts, der Nikolaikirche, ist nichts erhalten. Hier steht heute ein neugotischer Kirchenbau. Erwähnenswert ist dagegen die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstandene Jakobikirche. Die bescheidene Halle stellt die Pfarrkirche der mittelalterlichen Stadterweiterung dar. Ihr bemerkenswert massiver, lisenengegliederter Westturm, der als erstes Bauteil entstanden ist, weist engste Verwandtschaft mit der Gestaltung des Westturms an St. Marien auf und prägt das Stadtbild entscheidend.
Profanbau
Neben wenigen Fachwerkbauten der frühen Neuzeit verfügt Lippstadt über einige prominente barocke Profanbauten, die sich vor allem um den Marktplatz und die Marienkirche scharen. Die Südseite des Marktplatzes wird durch das dreizehnachsige Rathaus beherrscht, das anstelle eines gotischen Vorgängerbaus errichtet wurde. Der Blickfang des 1773 entstandenen und 1904 eingreifend überarbeiteten Baus sind der Mittelrisalit und die Freitreppe. An der Ostseite des Platzes steht als wenig jüngeres Gegenstück das um 1788 von Clemens August von Vagedes für den Bürgermeister Gilles Delhaes errichtete Epping-Palais. Der aus Bonn stammende Architekt war an zahlreichen Bauprojekten in Münster beteiligt und schließlich schaumburg-lippischer Landbaumeister. Die strenge Gliederung des Palais aus Lisenen und Dreiecksgiebel lässt trotz des noch in barocken Formen verhafteten Portals bereits den aufkommenden Frühklassizismus erkennen.
In der Langen Straße 30 treffen wir auf das zwölfachsige Haus Koppelmann, entstanden um 1721. Hinter dem schmucklosen und stark umgestalteten Außenbau mit Mansarddach verbergen sich ansehnliche Stuckräume aus der Zeit des Rokokos. Nur vereinzelt, aber auffällig, zeigen sich einige Rokokoelemente an Außenfassaden in der Stadt. In der Rathausstraße 13 steht westlich der Marienkirche ein großzügiges Bürgerhaus, das in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts errichtet und nach der Mitte des 18. Jahrhunderts aufwendig umgestaltet wurde. Beachtenswert sind das reich geschnitzte Hauptportal an der südlichen Giebelwand und die Ostfassade mit Ladeluke und Kranhäuschen für die wohl als Speicher dienenden Obergeschosse. Mit ähnlichem Formenreichtum präsentiert sich das Rokokoportal am 1763 bis 1776 entstandenen Palais Schauroth in der Klosterstraße 13.
Schlussbemerkung
Mit diesem kurzen Überblick durch die Baukunst der Adelspalais und der Bürgerhäuser Lippstadts endet unser Stadtrundgang. Der Ort, der als Stammsitz des Hauses Lippe von herausragender historischer Bedeutung für die Entwicklung des westfälischen Raumes ist, hat auch architekturgeschichtlich viel zu bieten. Bauwerke, die über Lippstadt hinauswirkten, sind mit der Marienkirche und der Stiftskirche aus dem 13. Jahrhundert erhalten. Doch auch die Epoche des Barocks und des Rokokos hat im 18. Jahrhundert viele Spuren in der Stadt hinterlassen. Wer tiefer in die Geschichte der Lipper und damit auch Lippstadts eintauchen möchte, dem sei ein Besuch des Prämonstratenserinnenklosters Cappel vor den Toren der Stadt empfohlen.