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Maastricht – historischer Rundgang durch die Stadt des heiligen Servatius

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Maastricht - Maas und Liebfrauenkirche
Panorama von Maastricht mit der Maas und der Liebfrauenkirche – im Hintergrund die Türme der St.-Servatius-Basilika und der Sint-Janskerk

Die Andersartigkeit einer niederländischen Stadt

Maastricht ist anders. Die Stadt an der Maas liegt in der südlichsten niederländischen Provinz Limburg, gibt sich aber betont international. In den Niederlanden wird sie fast als fremdartig empfunden. Die Gründe dafür sind vielfältig: die Randlage im Dreiländereck an der Grenze zu Belgien und Deutschland, die hügelige Landschaft, die anders anmutende Architektur, die sprachliche Situation und der Einfluss des Katholizismus. Wir wollen einen Rundgang durch das historische Maastricht mit einer der schönsten Altstädte der Benelux-Staaten unternehmen.

Wer mit dem Zug anreist, wird diese Andersartigkeit bereits auf dem Weg vom Bahnhof Richtung Maas und Altstadt spüren. Die Route führt durch den Stadtteil Wyck am Ostufer der Maas. Ein breiter Boulevard mit prachtvollen Fassaden des 19. Jahrhunderts lässt gerade in Bahnhofsnähe einen Hauch von Pariser Lebensfreude und Leichtigkeit aufkommen. Je mehr man sich den Maasbrücken nähert, umso enger werden die Straßenzüge. Hier befinden wir uns in dem Teil von Wyck, der bereits im Mittelalter existierte. Schließlich gibt der Fluss den Blick frei auf die andere Uferseite, auf das Panorama einer historischen Altstadt mit unzähligen engen Gassen und Plätzen, die voller Leben pulsieren und immer neue Eindrücke verschaffen. Über die historische St.-Servatius-Brücke gelangen wir über die Maas.

Historische Übersicht

Unter dem erst im 6. Jahrhundert bezeugten Namen Mosa Trajectum existierte an diesem Ort bereits in römischer Zeit eine bescheidene Siedlung und ein Übergang über die Maas. Auch ein Kastell aus dem 4. Jahrhundert ist nachgewiesen. Doch die römischen Spuren sind im heutigen Stadtbild nicht sichtbar. Sie sind nur archäologisch zu ergründen. In merowingischer und karolingischer Zeit gewann Maastricht an Bedeutung, war zumindest zeitweise bis ins 8. Jahrhundert Bischofssitz. Der Überlieferung nach war der heilige Servatius der erste Bischof von Maastricht und der Niederlande überhaupt. Die Schriftquellen hierzu sind so widersprüchlich, dass man seine Lebzeiten nur grob ins 4. oder 5. Jahrhundert terminieren kann. Servatius ist der Schutzpatron von Maastricht und vor Ort omnipräsent – inklusive jährlicher Prozessionen. Über dem vermeintlichen Grab des Bischofs erhebt sich heute die imposante St.-Servatius-Basilika.

Maastricht - Schrein des heiligen Servatius
Schrein des heiligen Servatius in der St.-Servatius-Basilika

Das Hochmittelalter war für Maastricht nicht zuletzt durch die bedeutende Abtei (bereits seit dem 9. Jahrhundert weltliches Stift) St.-Servatius von hohem Wohlstand geprägt. Die deutschen Kaiser besuchten regelmäßig das Grab des Heiligen Servatius und machten entsprechende Schenkungen. Damit verbunden war eine bemerkenswerte kulturelle und künstlerische Blüte. Maastricht war im Mittelalter ein wichtiges religiöses Zentrum und Wallfahrtsort, was sich ebenfalls noch im Stadtbild mit seinen zahlreichen Sakralbauten abzeichnet. Im Jahr 1202 gab König Otto IV. die Stadt dem Herzog von Brabant zum Lehen, was zu einer Doppelherrschaft gemeinsam mit dem Bischof von Lüttich führte. Diese Konstellation und die daraus resultierenden kriegerischen Auseinandersetzungen waren über Jahrhunderte für Maastricht prägend. Obwohl nie offiziell Stadtrechte verliehen wurden, begann man seit dem 13. Jahrhundert, die Stadt mit Stadtmauer und Toren zu versehen und diesen Ring im 14. Jahrhundert erheblich zu erweitern. Große Teile dieser Befestigungssysteme sind erhalten und sogar begehbar.

Maastricht - Karte 1582
Maastricht um 1582 – rechts der Maas der Stadtteil Wyck

Die Geschichte Maastrichts in der frühen Neuzeit war von den Wirren der Reformation und den niederländischen Unabhängigkeitskriegen gegen die spanischen Habsburger geprägt. 1579 wurde die Stadt von den Truppen des spanischen Statthalters belagert und in weiten Teilen zerstört. Es folgte eine Rekatholisierung Maastrichts. Letztlich konnten sich aber beide Konfessionen – Protestanen und Katholiken – in der Stadt behaupten, nachdem diese 1632 von Frederik Hendrik von Oranien für die Republik der Vereinigten Niederlande erobert worden war. Immer wieder war Maastricht als Garnisonstadt im späten 17. Jahrhundert bis ins frühe 19. Jahrhundert für kurze Zeiträume von französischen Truppen besetzt, blieb aber eine Provinzstadt. Aufs nationale bzw. internationale Parkett kehrte es als erste Industriestadt der Niederlande und mit dem Vertrag von Maastricht zurück. Letzterer darf 1992 als Geburtsakt des Euro angesehen werden, und genau aus diesem Grund dürfte die Stadt an der Maas vielen ein Begriff sein, obwohl sie so viel mehr an bedeutender Geschichte zu bieten hat.

Maastricht - Vrijthof
Der Vrijthof mit der St.-Servatius-Basilika und der Sint-Janskerk

Rund um den Vrijthof

Der Vrijthof ist zweifelsohne der zentrale Platz von Maastricht. Hier trifft man sich, hier bestaunt man die Kulisse der St.-Servatius-Basilika und unzähliger anderer historischer Bauten, die den Platz säumen. Dieser erhielt seine Bezeichnung von einem Freihof, einem Areal mit kirchlicher Gerichtsbarkeit. Archäologische Ausgrabungen haben nachgewiesen, dass der Bereich in spätrömischer Zeit und im frühen Mittelalter als Friedhof genutzt wurde.

Maastricht - St.-Servatius-Basilika - Chor
Die Ostteile der St.-Servatius-Basilika

St.-Servatius-Basilika

Chor und Westwerk

Baulicher Höhepunkt des Vrijthofs sind die im Südwesten befindlichen Zwillingsfassaden der Chöre der St.-Servatius-Basilika und der Sint-Janskerk – ein Ensemble, das in den Niederlanden seinesgleichen sucht und den Platz dominiert. Erstgenannte geht auf eine Grabeskirche zurück, die über dem Bestattungsort des Stadtheiligen zunächst aus Holz errichtet wurde. Der starke Zustrom an Pilgern machte immer wieder größere Neubauten notwendig. Um 560 entstand ein erster Steinbau mit Krypta. Die heutige Kirche ist ein romanischer Baukörper, der vom späten 10. bis ins 12. Jahrhundert in drei Bauabschnitten entstand. Der letzten Bauphase entstammt der zum Vrijthof weisende Chor mit seiner Apsis und den flankierenden Türmen. Die Gliederung und die Verwendung der Zwerchgalerie verweisen auf rheinische Dombauten wie in Mainz oder Speyer.

Von höchster kunsthistorischer Bedeutung ist zudem das Westwerk der Kirche, das sich nach außen als eigenständiger imposanter Baukörper mit Doppeltürmen präsentiert. Seine Fertigstellung dürfte erst Mitte des 12. Jahrhunderts anzusetzen sein, auch wenn die Wurzeln bis ins 10. Jahrhundert zurückreichen. Das Innere birgt ein komplexes Raumsystem, dessen Mittelpunkt der sogenannte Kaisersaal ist. Dieser war ursprünglich zum Mittelschiff der Kirche durch einen hohen Arkadenbogen geöffnet, wobei sich die bauliche Situation im Spätmittelalter durch den Einbau eines gotischen Gewölbes verändert hat. Herausragend ist die Bauplastik aus der Mitte des 12. Jahrhunderts an Kapitellen und einem Altartisch mit steinernem Retabel. Im weiteren Umkreis von Maastricht finden sich verwandte Westwerke an der St.-Bartholomäus-Kirche in Lüttich oder der Stiftskirche St. Gertrud in Nivelles.

Kreuzgang und Portale

Die St.-Servatius-Basilika birgt so viel Sehenswertes, dass man sich gerne mehrere Stunden in ihr und in ihrem Umfeld aufhalten kann. Allein der gotische Kreuzgang und die angrenzenden Stiftsbauten ziehen den Besucher mit ihrer sakralen Atmosphäre in ihren Bann. Hier befindet sich auch die reich ausgestattete Schatzkammer. Der prachtvolle Reliquienschrein des heiligen Servatius aus der Mitte des 12. Jahrhunderts steht dagegen im Querhaus der Kirche. Mehrere Portale, die die Baugeschichte der Gesamtanlage aufzeigen, ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Romanisch ist der Durchgang, der vom Ostflügel des Kreuzganges in die Kirche führt. Das aus dem 12. Jahrhundert stammende Portal besitzt ein Tympanon mit der Darstellung der Majestas Domini in einer Mandorla, umgeben von den vier Evangelistensymbolen. Ein einfacher gestaltetes Pendant befindet sich im Westflügel. Wesentlich jünger ist das repräsentative spätgotische Portal, das seit 1475 den nördlichen Zugang zur Klausur bildet. Der Figurenschmuck und die architektonischen Details sind allerdings fast ausnahmslos neugotische Schöpfungen.

Höhepunkt der Portalarchitektur ist zweifelsohne das auf der Südseite der Basilika in einem Vorbau befindliche, farbenfrohe Bergportal mit reichem Figurenprogramm. Ohne auf die wahrscheinlich komplizierte Entstehungsgeschichte der Portalanlage um 1200 einzugehen, ist festzuhalten, dass wir hier vor dem frühesten Zeugnis gotischer Skulptur in den Niederlanden stehen. Beziehungen sind vor allem zu zahlreichen frühgotischen Portalgestaltungen in Nordfrankreich, insbesondere zum Westportal der Kathedrale von Senlis zu erkennen. Aber auch in der maasländischen Gold- und Silberschmiedekunst existieren Parallelen.

Maastricht - St.-Servatius-Basilika - Bergportal
St.-Servatius-Basilika: Bergportal

Sint-Janskerk und barocke Randbebauung

Einen Kontrapunkt zur St.-Servatius-Basilika bildet die unmittelbar südlich angrenzende Sint-Janskerk. Sie wurde um 1200 als Pfarrkirche des St.-Servatius-Stifts gegründet. Der heutige Bau stammt aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Auffällig ist der in roter Farbe getünchte, filigrane Westturm mit Laterne. Er ist städtebaulich prägend für Maastricht und kann bestiegen werden.

Die Platzanlage des Vrijthofs ist im Übrigen gesäumt von zahlreichen frühneuzeitlichen Fassaden. An erster Stelle ist die prägende Hoofdwacht in unmittelbarer Nachbarschaft der St.-Servatius-Basilika zu nennen. Das im Barock erbaute und 1773 klassizistisch umgestaltete Gebäude diente der Garnisonstadt als Hauptwache. Der Vrijthof fungierte in diesem Kontext als Exerzierplatz. An der Nordseite steht das stattliche Generaalshuis. Es entstand ab 1805 auf den Grundmauern des Wittevrouwenkloosters als Stadtpalais und beherbergt heute ein Theater. An der Südseite des Platzes existiert mit dem Spanischen Gouvernement ein im Kern mittelalterlicher Bau, der im frühen 16. Jahrhundert entscheidend umgebaut und erweitert wurde.

Maastricht - Hoofdwacht
Hoofdwacht am Vrijthof

Komplettiert wird die bemerkenswert geschlossene Bebauung des Vrijthofs durch attraktive Gassen und kleine Platzanlagen westlich der Kirchen, deren Erkundung wir dringend empfehlen. Insbesondere rund um den Straßenzug Sint Servaasklooster reihen sich einige barocke Fassaden und Palais wie die Hofanlage am Henric van Veldekeplein 29. Herauszuheben ist zudem ein Kleinod: die Dragonderwacht im Louis-XVI-Stil um 1770. Fertig ist das Gesamtkunstwerk Vrijthof!

Rund um den Marktplatz

Der Weg vom Vrijthof zum Marktplatz führt uns vorbei an der im späten 13. Jahrhundert erbauten gotischen Dominikaner-Klosterkirche, einer der beiden Bettelordenskirchen in Maastricht. Ihre turmlose Westfassade, die Reduzierung der Formensprache und die Verortung mitten im Gassengewirr des Stadtgefüges sind typisch für die Dominikaner und Franziskaner. Und auch die Tatsache, dass der Sakralbau heute ganz profan als Buchhandlung genutzt wird, ist in den Niederlanden keine Seltenheit.

Auch der weitläufige Marktplatz mit seinem freistehenden Stadhuis – also dem Rathaus – ist eine typisch niederländische Komposition. Die Platzanlage ist umstellt von Wohnhäusern aus dem 17. bis zum 19. Jahrhundert. Höhepunkt ist aber das im Zentrum nach Plänen des Architekten Pieter Post von 1659 bis 1684 errichtete Rathaus. Post ließ zahlreiche ältere Gebäude wie Belfried und Tuchhallen abreißen, um den notwendigen Platz für den Bau zu schaffen. Mit seinen barocken Pilasterfassaden und dem beherrschenden Turmbau samt Glockengeschoss und Laterne ist das Stadhuis ein Symbol für die Maastrichter Bürgerschaft und das Zentrum von Verwaltung und Justiz der Stadt. Überdies waren hier weit bis ins 19. Jahrhundert die Stadtbibliothek, das Stadtarchiv, das Gefängnis sowie die Waage beheimatet. Die reiche Innenausstattung, die größtenteils aus dem 18. Jahrhundert stammt, zeugt noch heute von dieser vielfältigen Nutzung.

Maastricht - Rathaus
Das Rathaus (Stadhuis) auf dem weitläufigen Marktplatz

Lohnenswert ist zudem ein Blick in die Straßenzüge rund um den Markt. Die Boschstraat, die nach Norden aus der Altstadt führt, präsentiert sich zunächst als breiter, fast platzförmiger Boulevard mit auffälligen Fassadenfronten ähnlich dem Marktplatz. In diese reiht sich aus der Ostseite die spätmittelalterliche Sint-Matthiaskerk ein und setzt mit ihrem massiven, nie vollendeten Turm einen besonderen Akzent. Nach Westen zweigt die Grote Gracht vom Marktplatz ab, die auf uns mit ihrer geschlossenen, kleinteiligen Bebauung und dem geschwungenen, leicht ansteigenden Straßenverlauf reizvoll wirkte. Verlässt man den Markt Richtung Süden, dann trifft man an der Ecke Muntstraat, Grote Staat und Kleine Staat auf das bemerkenswerte Dinghuis, einen turmartigen Baukörper aus der Zeit um 1470. Mit seiner spätgotischen Fassade ist das im Mittelalter als Gericht dienende Gebäude einer der ältesten Profanbauten von Maastricht und ein besonderer Blickfang.

Das Stokstraatkwartier

Im Schatten der Liebfrauenkirche

Damit befinden wir uns bereits auf dem Weg ins nächste Viertel der Stadt, dem Stokstraatkwartier. Es zeichnet sich durch eine Vielzahl von charmanten Gasen und Plätzen mit der typischen Maastrichter Wohnbebauung aus dem 17. und 18. Jahrhundert aus. Lebendig und quirlig geht es hier zu, insbesondere auf dem Onze Lieve Vrouweplein, dem kleinen Platz vor der Westfassade der Liebfrauenkirche.

Unser Tipp für einen Rundgang startet am pittoresken Graanmarkt zu Füßen des Chores der Kirche. Von hier geht es hinein in die Stokstraat, einen der fotogensten Straßenzüge Maastrichts. Hier finden sich auch einige Bauten der Maasland-Renaissance mit ihren durch Sandstein belebten Backsteinfassaden (Beispiel: Stokstraat 59). Beachtenswert ist auch das Haus „In den steenen Bergh“ in der Stokstraat 28. Seine 1669 datierte Fassade ist aus auffälligem Sandstein aus dem belgischen Namur errichtet. Nach einiger Zeit biegen wir in die Maastrichter Smedenstraat ein und kehren schließlich über die Wolfstraat zurück zum Onze Lieve Vrouweplein und zur Liebfrauenkirche zurück.

Maastricht - Graanmarkt und Stokstraat
Blick vom Graanmarkt in die Stokstraat

Die Liebfrauenkirche

Die Liebfrauenkirche (Onze-Lieve-Vrouwebasiliek) am Onze Lieve Vrouweplein ist das Zentrum des Viertels. Mit ihren massiven romanischen Mauern, der riegelartigen, ungegliederten Westfassade und den gedrungenen Chorflankentürmen ragt sie über die Dächer der Häuser. Grundsteinlegung des Westbaus dürfte um 1000 angesetzt werden. Die Weihe einer Krypta ist kurz darauf überliefert. Langhaus, Querhaus und Chor sind dagegen erst Mitte des 12. Jahrhunderts fertiggestellt worden. Vorgängerbauten dürfen aufgrund schriftlicher Überlieferung angenommen werden und reichen möglicherweise bis in spätrömische Zeit zurück. Wahrscheinlich muss auch die frühmittelalterliche Bischofskirche hier lokalisiert werden.

Maastricht - Liebfrauenkirche - Ostteile
Die Ostteile der Liebfrauenkirche am Graanmarkt

Der ursprünglich flachgedeckte, basilikale Innenraum wird heute von einem spätgotischen Sterngewölbe beherrscht. Beeindruckend ist insbesondere die Gliederung des doppelschaligen Chores, die in der ausgeprägten Dunkelheit des Kirchenraums heraussticht. Überhaupt sind die Ostteile der Kirche – Innen wie Außen – als Höhepunkt der architektonischen Gestaltung ausgelegt und zeigen Parallelen zur nahen rheinländischen Spätromanik. Im Osten und Westen der Kirchenanlage existiert jeweils eine Krypta. Da der Kirchenbau lange Zeit auch als Stiftskirche fungierte, findet sich nördlich ein spätgotischer Kreuzgang, der einen romanischen Vorgänger ersetzte.

Betritt man das sakrale Areal oder verlässt es wieder Richtung Onze Lieve Vrouweplein scheint man die Grenze zweier Welten zu überschreiten. Der Kirchenbau mit seiner düsteren, ehrwürdigen Atmosphäre wirkt wie ein Gegensatz zu den umgebenden lebendigen Gassen voller heiterem Treibens. Wenn man den Vrijthof als Kopf Maastrichts bezeichnen möchte, dann ist das Umfeld der Liebfrauenkirche so etwas wie das Herz.

Das Jekerkwartier

Die Jeker und ihre Mühlen

Wir wenden uns weiter Richtung Süden und erreichen mit dem Jekerkwartier das ursprünglichste Viertel Maastrichts. Der Name geht auf den kleinen Flusslauf der Jeker zurück, die sich hier zwischen die Häuserreihen schiebt. Trotz der vielen romantischen Ecken in diesem Altstadtviertel verirren sich hierher weniger Touristen, was die vielen engen Gassen umso attraktiver erscheinen lässt. Unweit der Liebfrauenkirche erreichen wir den ersten Höhepunkt, die Bischofsmühle (Bisschopsmolen) an der Jeker, die bereits im Mittelalter an dieser Stelle nachweisbar ist. Die Mühle ist heute wieder in Gebrauch. Ob sie wirklich einen Bezug zu den Bischöfen von Maastricht besaß, ist letztlich nicht geklärt. Die Existenz einer solchen Wassermühle mitten in der Altstadt einer Metropole zeugt vom ursprünglichen Charakter des Viertels. Beachtlich ist auch das unmittelbar anschließende Wohnhaus in der Ridderstraat 2 aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, das mit seinem Rückhaus die Jeker überspannt und dessen Backsteinfassaden mit Natursteinschichten im Stil der maasländischen Renaissance belebt werden.

Unweit südlich steht die gotische Franziskaner-Klosterkirche (Oude Minderbroederskerk), die zweite Bettelordenskirche Maastrichts. Turmlos, aber monumental überragt sie die kleinteilige Bebauung der umgebenden Gassen. Sie wurde wahrscheinlich um 1300 begonnen. Kirche und Kloster dienten bereits seit dem 17. Jahrhundert profanen Zwecken als Waisenhaus oder Arsenal. Heute fungiert sie als Bildungseinrichtung und birgt eine Bibliothek.

Die Stadtbefestigung

Östlich der Kirche stoßen wir auf die gemütliche Sint Bernardusstraat, die uns auf das Helpoort zuführt. Gemeinsam mit den umgebenden Türmen stellt dieses Stadttor den am besten erhaltenen Abschnitt der ersten Maastrichter Stadtbefestigung aus dem 13. Jahrhundert dar. Unweit bildet das Faliezustersklooster mit einem im Stil der maasländischen Renaissance errichteten Gebäudeflügel einen reizvollen Kontrast zur Monotonie des Graus der Stadtmauer. In dem anschließenden parkartigen Gelände gibt sich die zweite Stadtbefestigung Maastrichts zu erkennen, die noch vor 1300 begonnen wurde, deren Fertigstellung sich aber über Jahrhunderte hinzog. Zuletzt kamen Anfang des 16. Jahrhunderts markante Rondelle hinzu, die wildromantisch aus dem Grün des Parks mit ihren Wasserflächen ragen.

Diese zweite Stadtbefestigung, die sich an der Südflanke Maastrichts vollständig erhalten hat, ist in ihrer vollen Länge begehbar und erlaubt uns immer wieder interessante Einblicke in die Altstadt. An der Südseite erstreckt sich der Monseigneur Nolenspark, durch den die verschiedenen Arme der Jeker fließen. Wir passieren dabei die Löwenmühle (Leeuwenmolen), eine weitere historische Wassermühle, die die Jahrhunderte überdauert hat. Am Wassertor De Reek durchbricht der nördliche Wasserlauf der Jeker die Stadtmauer. Hier verlassen wir die Stadtbefestigung und folgen wieder dem Lauf der Jeker durch das Jekerviertel. Ein echter Hingucker ist das Huys Op Den Jeker, ein turmartiges Haus, das malerisch den Flusslauf überspannt. Der Rückweg erfolgt über die Bonnefantenstraat, den Ezelmarkt, die Looiersgracht und die Grote Looiersstraat. Letzteres ist ein baumgesäumter Straßenzug mit stattlichen Wohnbauten des 17. und 18. Jahrhunderts. Einst floss auch hier ein Arm der Jeker hindurch, der 1897 zugeschüttet wurde.

Schlussbetrachtung

Es ist nicht einfach, über eine solch vielfältige Stadt wie Maastricht ein abschließendes Fazit zu formulieren, zumal unser Stadtrundgang nicht annähernd alle Eindrücke wiedergeben konnte, die wir gesammelt haben. So blieb der auf der anderen Maasseite gelegene Stadtteil Wyck mit seinen historischen Straßenzügen fast unberücksichtigt, obwohl die Bebauung insbesondere in der Rechtstraat oder der Hoogbrugstraat den altstädtischen Fassaden in nichts nachstecht. Hierher verirren sich nur wenige Touristen – zu Unrecht.

Maastricht - Rechtstraat
Rechtstraat im Stadtteil Wyck

Maastricht ist kein Ort, der beim Vorbeifahren in nur einem halben Tag erlebt werden sollte. Zwei, besser drei Tage, in denen man sich auch mal durch die Gassen treiben lässt und sich in dem einen oder anderen Straßencafé niederlässt, sollten eingeplant werden. Die Stadt vereinigt entsprechend ihrer Lage in einem Vielländereck die Mentalität und den Charme der Nachbarregionen. Deutschen, belgischen oder auch französischen Einfluss mag man hier erkennen. Als Universitätsstadt ist sie ohnehin international aufgestellt. Ihre historische Bedeutung trägt sie dabei offen zur Schau. Die Zahl der gut erhaltenen und herausgeputzten Baudenkmäler ist schier unermesslich. Und mit der Maas besitzt man zudem einen Strom, der diese Kulisse an ihren Ufern zusätzlich zu präsentieren weiß. Das wird umso deutlicher, wenn man auf deutscher Seite ins nahegelegene Aachen schaut, wo eine Kulturstadt von vergleichbarem Gewicht durch die Kriegszerstörungen und den unsensiblen Wiederaufbau nur noch in ihren Kernbereichen als solche erkennbar ist.

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