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Schleswig – Spuren der Geschichte in der Stadt an der Schlei

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Schleswig - Dom
Der Schleswiger Dom – Blick über die Schlei

Das Herzogtum Schleswig

Die am Ende der Schlei, einer tiefen Ostseebucht, landschaftlich äußerst reizvoll gelegene Stadt Schleswig ist namensgebend für das Herzogtum Schleswig und somit auch für das Bundesland Schleswig-Holstein. Das Herzogtum wechselte in seiner Geschichte mehrfach die Zugehörigkeit zwischen Deutschland und Dänemark und bildet ein Bindeglied in der Geschichte beider Länder. Seit 1920 ist es in ein dänisches Nordschleswig und ein deutsches Südschleswig geteilt.

Hezogtum Schleswig 1712
Das Herzogtum Schleswig (Johann Baptist Homann, Ducatus Slesvicensis, kolorierter Kupferstich, 1712)

Stadtwerdung und Stadtgestalt

Die mittelalterliche Altstadt

Das mittelalterliche Schleswig entstand in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts am Nordufer der Schlei als Nachfolger des frühmittelalterlichen Handelsplatzes Haithabu. Das Zentrum der Siedlung bildete der 1134 erstmals erwähnte Dom. Südlich davon ist eine Kaufmanns- und Hafensiedlung für diese frühe Zeit archäologisch nachgewiesen.

Im frühen 13. Jahrhundert bildeten sich die östlich anschließenden Straßenzüge mit Markt aus. Zur gleichen Zeit ist eine kommunale Selbstverwaltung in Händen einer Gilde aus Kaufleuten bezeugt. Die Fischersiedlung Holm und eine Vorsiedlung um den Straßenmarkt Gallberg erweiterten die Stadt nach Südosten und nach Norden. Trotz des baldigen wirtschaftlichen Niedergangs aufgrund der Verlagerung der Handelsrouten blieb Schleswig als Bischofssitz politisch das gesamte Mittelalter über von zentraler Bedeutung.

Gottorf

Ein zweites Zentrum bildete sich einige Kilometer westlich der Altstadt aus. Auf einer Insel existierte seit dem 12. Jahrhundert die bischöfliche Burg Gottorf, die 1268 in herzoglichen Besitz gelangte. Sie entwickelte sich in der Folge zur Residenz der Herzöge von Schleswig-Holstein-Gottorf, bis diese 1713 durch einen dänischen Statthalter ersetzt wurden.

1711 erfolgte die Zusammenlegung von Altstadt und Gottorf mit den Ortschaften Friedrichsberg und Lollfuß zur „combinierten Stadt“, wie sie in den schriftlichen Quellen bezeichnet wird. Die Situation ist in einer Karte Schleswigs von 1649 gut nachvollziehbar: Friedrichsberg im Süden der Schlossinsel und der Lollfuß als Bindeglied und langgestreckter Straßenzug zwischen Gottorf und Altstadt. Diese Mehrgliedrigkeit der Stadt lässt sich noch heute in der Stadtgestalt ablesen. Insbesondere der Lollfuß ist mit ehemals zahlreichen Barockfassaden zwischen Altstadt und dem Schlossbezirk Gottorf als auffällige Eigenart Schleswigs auszumachen.

Schleswig - Stadtplan 1649
Stadtplan von Schleswig aus dem Jahre 1649 mit deutlich auszumachenden Stadtbezirken

Der Dom

Baugeschichte und Gestalt

Starten wir unseren Rundgang am Dom, dessen markanter neoromanischer Westturm die Dächer der Altstadt überragt und weit über die Ufer der Schlei sichtbar ist. Der Baukörper der Domkirche stellt ein Sammelsurium unterschiedlichster Bauphasen dar. Als älteste Partien sind die romanischen Querhausarme auszumachen. Es handelt sich dabei um Reste des 1134 erwähnten, aber erst um 1200 vollendeten Baus. Verwendung fanden dabei unterschiedliche Materialien wie Granitquader, rheinischer Tuff sowie der seit der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts im Norden bekannte Backstein.

Höhepunkt stellt die um 1180 zu datierende „Peterstür“ am Südquerhaus mit in Rücksprüngen eingestellten Säulenpaaren dar. Sie ist aus Granit und Sandstein errichtet. Im Tympanon findet sich ein Relief des thronenden Christus, umgeben von Petrus und wahrscheinlich Paulus, dem königlichen Stifter und den Evangeliensymbolen. Die Gestaltung des Portals ist auf ein entsprechendes Exemplar am Querhaus in Ribe zurückzuführen.

Um 1230/40 begann eine umfangreiche Modernisierung des romanischen Doms, die zunächst Langhaus, später die Neuerrichtung des hochgotischen Hallenchores bis etwa 1300 umfasste. Der Bau wurde hierbei mit kuppelartigen Gewölben versehen. Das Langhaus wurde schließlich im 15. Jahrhundert zu einer Halle umgestaltet, wobei die Seitenschiffe auf die Höhe des Mittelschiffs gebracht wurden.

Ausstattung

Die größte Bedeutung erhält der Schleswiger Dom durch seine bemerkenswert reiche Ausstattung. An vorderster Front ist dabei der Bordesholmer Altar zu nennen, der allein durch seine Dimensionen das gesamte Chorpolygon beherrscht. Das ursprünglich für die Augustinerchorherren-Stiftskirche in Bordesholm durch die Werkstatt des Hans Brüggemann um 1510/20 geschaffene Retabel stellt ein Hauptwerk norddeutscher Schnitzkunst dar. Als Vorlagen für die kleinteiligen, filigranen Szenen wurden Holzschnitte aus Dürers Kleiner Passion genutzt. Die fehlende Farbfassung – also Farbigkeit – ist im Übrigen nicht auf deren Verlust zurückzuführen, sondern ist bei Brügemann ähnlich wie beim Werk von Tilman Riemenschneider in Süddeutschland ein bewusstes Stilmittel.

Im südlichen Chorseitenschiff steht mit dem Dreikönigsaltar ein bemerkenswert früher Typus eines Altarretabels aus dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts. In einem Baldachingehäuse bilden vier lebensgroße Figuren die Szenerie der Anbetung der Heiligen Drei Könige. Die kräftige Farbfassung ist 1894 anhand alter Reste weitgehend nach Befund rekonstruiert worden.

Von den zahlreichen hochwertigen Grabmälern und Epitaphen im Schleswiger Dom ist das monumentale, aus Marmor, Alabaster und Kalkstein entstandene Grabmal König Friedrichs I. von Dänemark hervorzuheben. Es stellt ein bedeutendes Beispiel eines Freigrabmals des 16. Jahrhunderts dar und wurde von dem Antwerpener Cornelis Floris, einem der führenden Künstler der niederländischen Renaissance, geschaffen. Das Kenotaph – es handelt sich dabei um ein leeres Ehrengrab – wird von freiplastischen Karyatiden umstellt, die sechs Tugenden zeigen (Glaube, Hoffnung, Liebe, Stärke, Klugheit, Gerechtigkeit).

In der Altstadt

Der Dom wird malerisch umstanden von Backsteinbauten in der Süderdomstraße und der Norderdomstraße. In letzterer steht das Königsteinsche Palais, das aus Umbauten der mittelalterlichen Bischofskurie entstand. Die Gassen der Altstadt, die sich östlich des Doms erstrecken, präsentieren sich wohltuend befreit vom geschäftlichen Treiben einer modernen Stadt. In Schleswig verstand man es, das historische Zentrum von der Einkaufmeile mit Fußgängerzone zu trennen. So hat auch der Marktplatz mit der stattlichen Apotheke von 1517 viel ursprüngliche Atmosphäre bewahrt.

Schleswig - Alte Apotheke
Alte Apotheke am Marktplatz

Etwas abseits der Platzanlage treffen wir auf den ungewöhnlichen Baukomplex des Grauen Klosters, der aus dem ehemaligen, 1234 gegründeten Franziskanerkloster hervorging. Auf dem Grundstück wird archäologischen Untersuchungen zufolge bereits in der Mitte des 11. Jahrhunderts ein dänischer Königshof vermutet. Nach der Reformation verfielen die Klosterbauten und wurden zeitweise als städtisches Armenhaus genutzt, die dazugehörige Kirche zum Rathaus umfunktioniert. Letzteres wurde wegen Baufälligkeit 1793 abgerissen und durch einen klassizistischen Neubau ersetzt, der nun in einem reizvollen Kontrast zu den erhaltenen mittelalterlichen Klosterbauten aus Backstein steht.

Ferner führt uns die Tour in die Lange Straße, die von der Altstadt nach Norden zum Gallberg verläuft. Eine Reihe staatlicher Bürgerhäuser säumt hier unseren Weg. Beachtenswert sind die Häuser Lange Str. 6 aus der Mitte des 17. Jahrhunderts und die Lange Str. 9, ein prächtiges spätbarockes, für den Kaufmann Johann Jürgen Arbo errichtetes Bürgerhaus, ferner Lange Str. 19 mit einer strengen dreiachsigen Fassade des mittleren 18. Jahrhunderts. Den Gallberg, wo sich die Straße platzartig erweitert, schmücken die Häuser Nr. 3 (Freins´sches Haus, 1663 errichtet) und Nr. 4 (Schmiedenhof, 1664 errichtet).

Der Holm und das Johanniskloster

Besonders lohnenswert ist auch der Blick über die Grenzen der Altstadt hinaus. Südöstlich schließt sich hier der Holm an, eine pittoreske Fischer- und Kleinbürgersiedlung mit eingeschossiger Bebauung des 18. und 19. Jahrhunderts rund um einen Friedhofsplatz. Die Hausgrundstücke reichen zum Teil bis an das Ufer der Schlei. Schmale Gassen erlauben es, dieses romantische Zusammenspiel zu erkunden.

Manch Tourist tritt an dieser Stelle vielleicht den Rückweg Richtung Dom und Altstadt an und verpasst so das Johanniskloster, das über die Süderholmstraße weiter östlich über kopfsteinbedeckte Gassen zu erreichen ist. Das malerische Ensemble in parkartiger Umgebung ist als eines der besterhaltenen mittelalterlichen Klöster in Schleswig und Holstein anzusehen.

Die erste Erwähnung des ehemaligen Benediktinerinnenklosters ist für 1250/51 zu verzeichnen. Die einschiffige Klosterkirche birgt Reste eines vorklösterlichen Vorgängerbaus des späten 12. Jahrhunderts aus Feldstein und Tuff. Der Chor wurde nach einem Brand im Jahre 1487 errichtet. Zeitgleich erfogte die Einwölbung der Kirche. Die Klausur präsentiert sich ebenfalls mittelalterlich mit Ergänzungen des 18. Jahrhunderts.

Rund um die Schlossinsel

Der Lollfuß, der Friedrichsberg und die Museumsinsel

Die Schlossinsel erreichen wir von der Altstadt aus über den historisch belegten Verbindungsweg durch das Stadtviertel Lollfuß, während auf dem Rückweg die Uferpromenade der Schlei und die Parkanlage Königswiesen einen landschaftlich reizvollen Kontrast bieten. Im Lollfuß sind mit dem Heespens Hof, einem Adelspalais, und dem ehemaligen Zollhaus zwei repräsentative Barockbauten (beide 1754 vom Landbaumeister Johann Gottfried Rosenberg errichtet) erhalten. Im Stadtteil Friedrichsberg stechen der Günderothsche Hof und das Anwesen des Prinzenpalais als Dreiflügelanlage mit Ehrenhof heraus. Beide haben ihre Wurzeln in der Mitte des 17. Jahrhunderts.

Der monumentale, von weitem sichtbare Schlossbau ist heute Teil der Schleswiger Museumsinsel Schloss Gottorf, die einige sehenswerte Museen beherbergt. Allein für deren Besichtigung empfiehlt sich, mindestens einen vollständigen Tag einzuplanen.

Schloss Gottorf

Aber schauen wir auf die Geschichte und Architektur des Gottorfer Schlosses: Die Residenz verfügt über eine komplexe Baugeschichte. Von der Anlage des 12. Jahrhunderts, dem Sitz des Schleswiger Bischofs, haben sich nur geringe Spuren im heutigen Baukörper erhalten. Erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts sind größere Baumaßnahmen mit der archivalischen Überlieferung in Verbindung zu bringen. 1492 errichtete Herzog Friedrich I. die Gotische Halle nach einem Brand.

Das 16. Jahrhundert ist von intensiver Bautätigkeit geprägt. In dieser Zeit wurden alle Flügel der Vierflügelanlage neu errichtet, wobei die Hofseite des Westflügels mit ihren Frührenaissanceformen, dem Treppenturm und dem rekonstruierten Standerker aus den 1530er Jahren qualitativ hervorsticht. Der Giebelbereich dieser bemerkenswerten Schaufassade ist im 19. Jahrhundert leider verloren gegangen, so dass sie sich dem Betrachter nur noch unvollständig präsentiert.

Schleswig - Schloss Gottorf - Hof
Schloss Gottorf – Hofseite des Westflügels

Das heutige Schloss wird von dem monumentalen Südflügel beherrscht, der 1697 bis 1703 unter Einbeziehung der Gotischen Halle an Stelle des Renaissancebaus errichtet wurde. Die Fassadenmitte wird durch einen Turmrisalit mit Tordurchfahrt akzentuiert. Man rezipierte damit den barocken Palasttyp Italiens mit seiner strengen Symmetrie und den gleichförmigen Fensterachsen. Direkte Vorbilder sind im sächsischen Schlossbau wie in Zeitz oder Weißenfels zu suchen. Der vermutlich angestrebte Plan, weitere Schlossflügel durch Neubauten mit barocken Raumkonzepten einer höfischen Residenz zu ersetzen, ist nie verwirklicht worden.

Schleswig - Schloss Gottorf - Schlosskapelle
Schloss Gottorf – Schlosskapelle

Der Barockgarten

Nördlich der Schlossinsel befindet sich der Barockgarten von Gottorf, der im 17. Jahrhundert als sogenanntes Neues Werk angelegt wurde. Die Anlage ergänzte den Reigen älterer Gärten rund um das Schloss. Dabei ist seine Existenz der Initiative durch Herzog Friedrich III. zu verdanken. Die Gartenanlage bestand zunächst recht bescheiden nur aus dem Umfeld des Herkulesteiches. Sie wurde unter Friedrichs Sohn Herzog Christian Albrecht mit Terrassen, Freitreppen, Kaskaden und Fontänen deutlich erweitert.

Den internationalen Ruf erhielt der Barockgarten aber erst durch den Gottorfer Globus, den der Hofmathematiker Adam Olearius schuf. Er galt vor rund 350 Jahren als astronomisches Wunderwerk und erstes Planetarium in der christlichen Welt und spiegelt die Stellung des Gottorfer Fürstenhofs als bedeutendes kulturelles Zentrum Nordeuropas unter Herzog Friedrich III. wider. 1713 wurde der Globus auf Wunsch des Zaren Peters des Großen nach St. Petersburg transportiert. Damit setzte der Niedergang der Gottorfer Gartenanlage ein. Im 19. Jahrhundert wurden die Terrassen eingeebnet und die Anlage als Reitplatz genutzt.

Damit hätte die Geschichte der barocken Gartenpracht zu Ende erzählt sein können, wenn man sich nicht 2005 auf Grundlage systematischer archäologischer Untersuchungen und einem Inventar von 1709 mit einer ausführlichen Beschreibung des Gartens und seiner Pflanzenvielfalt zu einer Rekonstruktion entschlossen hätte. Auch der Riesenglobus – das Original befindet sich in veränderter Form noch immer in St. Petersburg – wurde rekonstruiert und erhielt mit einem modernen Globushaus eine erneuerte baulichen Hülle. Ursprünglich befand sich das Meisterwerk der Astronomie in einem Lusthaus aus der Zeit um 1650, das nach dem Abtransport des Globus verfiel und schließlich abgebrochen wurde.

Spuren dänischer und deutscher Geschichte

Schleswig ist wohl nach Lübeck die geschichtsträchtigste und sehenswerteste Stadt Schleswig-Holsteins. Sie ist nicht nur ein zentraler Ort der Landesgeschichte, sondern verbindet in einzigartiger Weise die dänische und deutsche Kultur zu einem gemeinsamen Erbe. Eingebettet in eine attraktive Hügellandschaft, die in der letzten Eiszeit geformt wurde, ist die Stadt an der Schlei auch hinsichtlich ihrer Lage von besonderem Reiz.

Mit ihren unterschiedlichen historischen Zentren und einer umfangreichen Museumslandschaft bietet Schleswig jedem Kulturinteressierten die richtige Mischung, ohne die Hektik einer Großstadt in Kauf nehmen zu müssen. Dies war bei weitem nicht unser erster Besuch an der Schlei und es wird sicherlich auch nicht der letzte bleiben.

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