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Mondäner nordischer Flair
Zugegeben, wir sind Schweden-Fans, aber auch unter objektiven Vorzeichen könnte man konstatieren, dass Stockholm wohl die attraktivste nordische Hauptstadt ist. Das liegt nicht nur daran, dass sich die Stadt auf zahlreichen Inseln ausbreitet und somit einen besonders maritimen Charme besitzt, sondern auch an der mondänen Atmosphäre, die besonders im Stadtteil Östermalm mit seiner Uferpromenade und auf der Insel Djurgården zu spüren ist. Ganz zu schweigen von der einzigartigen, mediterran anmutenden Altstadt (Gamla stan) mit seinen unzähligen verträumten Gassen.
Gamla stan und das Königliche Schloss
Den Besuch der Altstadt Stockholms startet man am besten am königlichen Schloss ganz im Norden der Insel. Der gewaltige barocke Komplex wurde nach Plänen des Architekten Nicodemus Tessin d. J. zwischen 1690 und 1750 errichtet. Die italienischen Vorbilder mit strenger Gliederung der ockerfarbigen Fassaden sind unverkennbar. Am besten erfasst man die Anlage von einer der gegenüberliegenden Uferpromenaden. Wem dieser Anblick zu brachial erscheint, der wird vielleicht seine Freude an den überschwänglich ausgestatteten Innenräumen haben, die man in Kombination mit einigen im Schloss befindlichen Museen besuchen kann.
Uns gefiel besonders der der Altstadt zugewandte Schlossplatz, der etwas intimer wirkt und auf dem man täglich der Wachablösung beiwohnen kann. Die Atmosphäre dieses Platzes gleich neben der Storkyrkan trägt italienische Eleganz, wie man sie hier weit im Norden nicht erwarten würde. Von hier aus kann man bereits einen Blick in die engen Gassen der Gamla stan erheischen, die ganz im Gegensatz zu der geometrischen Strenge des Schlosskörpers stehen.
Doch bevor man sich dem hingibt, ist ein Besuch der Storkyrkan zu empfehlen. Hauptattraktion der Kirche ist eine monumentale Skulpturengruppe des Lübecker Künstlers Bernt Notke von 1489. Sie wurde im Auftrag des schwedischen Reichsverwesers Sten Sture zur Erinnerung an eine Schlacht angefertigt und zeigt St. Georg kämpfend mit dem Drachen.
Die Gassen und Plätze der Altstadt überbieten sich gegenseitig an Reiz und Faszination. Goldgelbe und terrakottafarbene Giebelfassaden strahlen uns von allen Seiten an. Hier ein Durchblick durch ein Tor in eine schmale Gasse – die engste ist übrigens 90 cm breit -, an deren Ende man das blaue Wasser schimmern sieht; dort eine steile Treppe in einer Häuserschlucht! Immer wieder stellt man sich verwundert die Frage, ob man sich wirklich in Skandinavien oder doch nicht am Mittelmeer befindet.
Ein immer wiederkehrendes Motiv sind die altertümlichen Laternen, die an fast jedem Haus auftauchen und die Illusion perfekt machen. Vor lauter Schwärmerei habe ich fast vergessen, den Hauptplatz, den Stortorget zu erwähnen, den man auf seiner Erkundungsreise durch Gamla stan nicht verpassen sollte, auch wenn man hier sicherlich der einen oder anderen Touristengruppe begegnet.
Riddarholmen
Etwas weniger trubelig geht es auf Riddarholmen mit seinen weitläufigen Platzanlagen zu. Man erreicht die kleine benachbarte Insel über eine Brücke. Zuvor passiert man das barocke Riddarhuset, das als Versammlungshaus des schwedischen Adels errichtete wurde. Die Gartenfront mit ihren Pavillons wirkt wie eine Oase in der hektischen Großstadt. Riddarholmen selbst wird vor allem wegen der Riddarholmskyrkan besucht, die als königliche Begräbniskirche unter den Gotteshäusern Stockholms hervorsticht.
Uns zog es vor allem an die Uferpromenade, die einen schönen Blick über das Wasser auf die Stadtteile Södermalm und Kungsholmen bietet. Über den Anblick des wuchtigen backsteinernen Stadshusets (Rathaus) darf man dabei durchaus geteilter Meinung sein.
Skansen
Stockholm ist eine Stadt, die ihre Eleganz offen zur Schau trägt, ohne dabei aufdringlich und dekadent zu wirken. Das würde auch nicht dem skandinavischen und schon gar nicht dem schwedischen Naturell entsprechen. Nirgends wird das deutlicher als im Stadtteil Östermalm. Es macht Freude und entspannt, entlang der Uferpromenade Richtung Djurgården zu flanieren. Die teilweise bewaldete Insel ist wie eine grüne Lunge in der Stadt und beherbergt zahlreiche sehenswerte Museen, unter anderem das Freilichtmuseum Skansen.
Skansen – es ist übrigens das älteste seiner Art weltweit – unterscheidet sich von anderen Freilichtmuseen allein durch seine Größe mit 150 historischen Gebäuden. Hinzu kommen Attraktionen für Kinder, Gartenanlagen, Shopping-Möglichkeiten für traditionelle Erzeugnisse, ein Aquarium und ein Zoo. Wir konnten sogar Wolfsnachwuchs aus der Nähe bewundern! Es ist ein Erlebnispark für die ganze Familie, ohne dass der eigentliche Sinn und Zweck der Einrichtung aus den Augen verloren wird. Dabei ist vor allem der naturnahe Standort auf einem hohen Felsmassiv sehr reizvoll.
Positiv stellten wir fest, dass in vielen Häusern Personal in traditionellen Gewändern Fragen zu Lebensbedingungen und Inventar beantwortet hat: natürlich auf Englisch und teilweise auch in sehr gutem Deutsch. Ein wirklicher Mehrwert für den Besucher, wie wir finden! Leider mussten wir aber auch feststellen, dass Anfang Juni ein großer Teil der historischen Gebäude schlichtweg noch nicht geöffnet hatte. In der Nähe des Museumseingangs kann man sich aber darüber informieren, welche Objekte zu welchem Zeitpunkt zugänglich sind.
Vasa-Museum
Das Vasa-Museum liegt ebenfalls auf Djurgården. Selten war ich von einem Museum derart beeindruckt. Wer die Vasa nicht einordnen kann, für den hole ich gerne ein wenig aus: Das Schiff gehörte zu den größten und am stärksten bewaffneten Kriegsschiffen seiner Zeit. Nach dem Stapellauf am 10. August 1628 ist es nach nur wenigen Minuten vor Stockholm gekentert und gesunken. Ursächlich waren statische Mängel, die das Schiff bereits bei geringem Wind in Schieflage brachte. Bei dem Unglück ist auch ein großer Teil der Besatzung ums Leben gekommen.
In den 50er Jahren ist das hervorragend erhaltene Wrack geortet und in einer jahrelangen aufwändigen Aktion geborgen worden. Nach Jahrzehnten der Restaurierung und Konservierung entstand das Vasa-Museum, um dieses einzigartige historische Zeugnis der Schifffahrt der Öffentlichkeit zu präsentieren. Das Museum gibt nicht nur Aufschluss über die damaligen Grenzen der Kriegskunst, sondern auch über die sozialen Begleitumstände in Stockholm des 17. Jahrhunderts.
Bereits beim Eintreten in das Museum ist man überwältigt von dem gewaltigen Schiffskörper, der sich da unmittelbar vor einem im Halbdunkeln erhebt. Das dunkle Holz – ursprünglich war es polychrom gefasst – und die schummerige Atmosphäre lassen es bedrohlich und mystisch zugleich erscheinen. Ich fühlte mich an die „Black Pearl“ aus „Fluch der Karibik“ erinnert. Sofort zückte ich meine Spiegelreflexkamera und machte dutzende Bilder aus allen erdenklichen Ansichten, was bei den Lichtverhältnissen wahrlich nicht einfach ist. Erleichtert wird das durch die sieben Ebenen, die man rund um die Vasa betreten kann.
Die Ausstellung ist auch im Übrigen sehr anschaulich konzipiert. Ein 20-minütiger Film in diversen Sprachen führt rund um die Uhr in zwei Kinosälen in die Geschichte der Vasa ein. Auch ein begehbares Kanonendeck und ein Offiziersdeck ist rekonstruiert worden. Auf den einzelnen Ebenen rund um die zentrale Ausstellungshalle werden unterschiedliche Aspekte der Geschichte des 17. Jahrhunderts aufgegriffen, immer in engem Bezug zum wichtigsten Exponat.
Besonders gefangen genommen hat mich die Fokussierung auf Besatzungsmitglieder, deren Knochen man mit dem Schiff barg. Um einen Einblick in ihre Lebensumstände und ihre letzten Tage erhalten zu können, wurden diese aufwändig untersucht. Ja, man gab ihnen (fiktive) Namen und durch Gesichtsrekonstruktion ein Antlitz und eine gewisse Lebendigkeit zurück. Das schiebt auch die ethischen Bedenken beiseite, die bei der Präsentation von menschlichen Überresten zwangsläufig aufkommen. Nie empfand ich eine Zeitreise in einem Museum so überzeugend umgesetzt wie hier in Stockholm.
Fazit: Kurzbesuch in Stockholm
Das vorgestellte Programm ist bequem an einem verlängerten Wochenende zu bewerkstelligen. Wem das nicht genügt, kann sich sicher sein, dass Schwedens Hauptstadt noch mehr zu bieten hat. Insbesondere Djurgården ist von zahlreichen Museen überzogen. Am Stadtrand wartet mit dem Schloss Drottningholm ein weiteres Highlight. So viel kulturelle Vielfalt würde vielleicht nicht jeder im hohen Norden erwarten. Was die Stadt aber wirklich besonders macht, ist die Einbettung in eine wundervolle Landschaft: westlich der Mälaren mit weiteren kulturhistorischen Höhepunkten, im Osten der Stockholmer Schärengarten, der sich über viele Kilometer die Ostseeküste entlang zieht und im Sommer einzigartige Naturerlebnisse bietet.