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Industrielles Kulturerbe
Sie liegt im äußersten Westen Dortmunds im Stadtteil Bövinghausen und ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert: die Zeche Zollern. Bis zur Stilllegung im Jahre 1966 zählte sie allerdings gegenüber einigen Großzechen zu den weniger bedeutenden Steinkohle-Bergwerken im Ruhrgebiet. Die Rettung der bereits für den Abriss vorgesehenen Maschinenhalle durch engagierte Bürger wurde zur Initialzündung der Industriekultur. Das führte zugleich zum generellen Umdenken im Umgang mit unserem industriellen Erbe.
1979 wurde die Zeche Zollern zur Hauptstelle des Westfälischen Industriemuseums (seit 2006: LWL-Industriemuseum), zu dem noch weitere ehemalige Industrie-Standorte gehörten. Heute ist die Route der Industriekultur ein Symbol für den bemerkenswerten Strukturwandel der Region und ein Tourismusmagnet.
Entstehungsgeschichte der Zeche Zollern
Wenn wir hier von der Zeche Zollern sprechen, müssen wir differenzieren. Bei dem Komplex in Bövinghausen handelt es sich korrekt um Zollern II/IV mit ihren beiden Schächten. Die ältere Zeche Zollern I/III, die Mutterzeche, befand sich im nur wenige Kilometer entfernten Dortmund-Kirchlinde.
Das geringere Alter von Zollern II/IV ermöglichte es, das Bergwerk als eine Musterzeche aus einem Guss zu errichten, bei der die Arbeitsabläufe und Gebäudestandorte aufeinander abgestimmt und optimiert wurden und die Architektursprache eine maßgebende Rolle spielte. Solche Anlagen entstanden vielfach seit den 1890er Jahren. Die Zeche Zollern II/IV wurde von 1898 bis 1904 von der Gelsenkirchener Bergwerks-AG (GBAG) errichtet, die wenige Jahre zuvor auch Zollern I/III erworben hatte.
Gebäude
Der Ehrenhof
Der repräsentative Charakter der Zechenanlage wird vor allem am Ehrenhof ablesbar, den man nach dem Durchschreiten der Toranlage betritt. In zentraler Achse befindet sich das Verwaltungsgebäude. Rechter Hand ragt der Giebel der Lohnhalle auf, an die sich Waschkaue, Magazin und Lampenstube anschließen. Links sind Werkstatt, Pferdestall und Remise beheimatet.
Der Eindruck einer barocken Schlossanlage oder eines ländlichen Herrenhauses drängt sich nicht nur auf, er ist gewollt inszeniert. Die Architekturdetails mit ihren Schaugiebeln lehnen sich an Profan- und Sakralarchitektur der norddeutschen Backsteingotik an. Der Architekt Paul Knobbe ließ hier Neugotik und Industriearchitektur gekonnt miteinander verschmelzen.
Die Maschinenhalle
Baulicher Mittelpunkt der Anlage ist wie vielfach auch bei anderen Zechen die Maschinenhalle. Bei Zollern II/IV steht sie hinter dem Verwaltungsgebäude, flankiert von den beiden Fördergerüsten.
Für dieses Gebäude lagen ebenfalls Pläne im Stile der Neugotik vor. Als massiver Backsteinbau sollte sie sich stilistisch in die Struktur der bisherigen Anlage einfügen. Der GBAG-Vorstand entschied sich aber überraschend gegen den Entwurf des eigenen „Hof-Architekten“ und setze stattdessen eine Stahlfachwerk-Konstruktion um. Diese hatte den Vorteil einer weitaus schnelleren Errichtung. Die Anregung hierfür erhielt man auf einer Industrieausstellung in Düsseldorf, wo derartige Konstruktionen erstmals zu sehen waren.
Die Maschinenhalle punktete nicht nur durch technische Innovationen, sondern auch durch künstlerische Extravaganz. Die entscheidenden Mitwirkenden an dem Bauvorhaben waren der Berliner Architekt Bruno Möhring und die Gutehoffnungshütte aus Oberhausen. Die Fertigstellung der Halle erfolgte 1903. Ihre Jugendstil-Architektur mit der aufwändigen Verglasung ist bis heute im Kontext von Industriearchitektur einzigartig. 2016 erfolgte nach langjähriger Restaurierung die Wiedereröffnung des Gebäudes.
Die Förderanlagen
Von den übrigen Betriebsbauten im Umfeld der Maschinenhalle ist im Originalzustand wenig erhalten. Hier haben die Abrissarbeiten nach der Stilllegung der Zeche besonders stark gewütet. Die beiden Fördergerüste und die Schachthalle am südlichen Fördergerüst sind bei der Einrichtung des Industriemuseums von anderen Zechen umgesetzt worden. Damit gelang es, die ursprüngliche Panoramasituation weitgehend zu rekonstruieren.
Industriemuseum
Dauerausstellung
Das Museum hat seit unserem letzten Besuch vor rund 10 Jahren erheblich an Attraktivität gewonnen. Man sollte sich gut einen halben Tag Zeit lassen, um alle Bereichen angemessen zu erkunden. Neben möglichen Sonderausstellungen finden sich mehrere Dauerausstellungen:
- Verwaltungsgebäude: Die Schwerpunkte liegen hier in der Industrialisierung des Ruhrgebiets, der Geschichte der Zeche Zollern und der GBAG sowie in der Architektur der Zechengebäude. Im Obergeschoss wird die Zeche Zollern im Spiegel der Sozialgeschichte, der Arbeiterbewegung und den Verwerfungen der Weltkriege thematisiert.
- Waschkaue und Lampenhalle: Dieser Bereich beheimatete bereits die alte Dauerausstellung, die nun zugänglicher und aufgeräumter wirkt als zuvor. Mit zahlreichen Exponaten werden die Ausbildung sowie die Arbeits- und Lebensbedingungen der Bergleute anschaulich dargestellt.
- Schachthalle: Auf insgesamt vier Ebenen werden Förderung und Verarbeitung der Kohle gezeigt. Leseband und Kohlelohren auf der einen Seite, multimediale Präsentation auf der anderen Seite geben einen Einblick in die harten Arbeitsbedingungen an diesem Ort.
Führungen und Besucher-Service
Vorbildlich gestaltet sich das museumpädagogische Programm. Verteilt über den gesamten Tag werden zahlreiche kostenlose Führungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten angeboten. Dabei konnten wir auch die Maschinentechnik in der Maschinenhalle in Betrieb erleben. Wer schwindelfrei ist, kann das südliche Fördergerüst besteigen und sich aus der Vogelperspektive einen Überblick über das Zechengelände verschaffen.
Das Museum hat auch seine Hausaufgaben in Belangen der digitalen Medien gemacht. Fotografieren ist nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht, wodurch Blogbeiträge wie dieser hier gefördert und möglich gemacht werden. Als Hashtags werden #lwlindustriemuseum und #ZecheZollern an die Hand gegeben. Diese nachhaltige Form der Öffentlichkeitsarbeit durch Partizipation der Besucher ist leider nicht selbstverständlich im musealen Kontext.
Zuletzt noch ein ganz heißer Tipp für Kulturinteressierte im Raum Westfalen: Mit der LWL-Museumscard kommt man als Paar ein ganzes Jahr lang für sehr günstige 40 € kostenlos in zahlreiche Museen des LWL und sogar einige des LVR. Auch Preis-Modelle für Einzelbesucher oder Familien sind möglich.
Guten Tag.
Wenn „Wiege“ als Geburtsstätte oder Anfang verstanden wird, dann ist es mehr als vermessen, die (sicherlich) sehenswerte Tagesanlage von Zollern als solche zu bezeichnen. Dortmund ist nicht der Nabel der Welt! Bleibt mir im „Pott“, dann wäre zunächst die St. Antony Hütte zu nennen; sieht man von anderen Lokalitäten weltweit ab.
Also: Bitte nicht mit so abgedroschenen Phrasen oder Superlativen titulieren; es erinnert ein bisschen an die BIld-Zeitung. Glück auf!
Nun, meines Wissens nach ist die Rettung der Maschinenhalle tatsächlich die Initialzündung für einen denkmalgerechten Umgang mit Industriekultur im Ruhrgebiet und Deutschland gewesen. In den Landschaftsverbänden Westfalen-Lippe und Rheinland sind in den 70er Jahren erstmals in Deutschland Referate für Technische Denkmalpflege eingerichtet worden. Insofern kann man die Zeche Zollern mit guten Argumenten als Wiege der Industriekultur bezeichnen. Das hat mit BILD nichts zu tun.