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Zerstörung eines historischen Denkmals
Von der ehemaligen Reichsstadt Dortmund am Hellweg, einem der bedeutendsten mittelalterlichen Fernhandelswege in Mitteleuropa, haben Industrialisierung, Kriege und die autogerechte Stadtsanierung nur wenig Historisches übriggelassen. In den Bombardements des Zweiten Weltkriegs gingen auch die Reste der Altstadt unter – darunter das Alte Rathaus an der Südseite des Alten Marktes. Den Platz des ehemaligen Symbols bürgerlicher Freiheit nimmt ein trister Kaufhauskomplex ein, der den ganzen baulichen Zustand der Dortmunder Altstadt widerspiegelt. Heute ist Dortmunds Stolz der Fußball.
Geschichte des Dortmunder Rathauses
Das Alte Rathaus von Dortmund war bis zu seiner Zerstörung im letzten Krieg und dem endgültigen Abriss 1955 eines der ältesten Rathäuser in Deutschland. Eine Urkunde im Stadtarchiv Dortmund bezeugt den Kauf des Gebäudes durch den Dortmunder Rat im Jahre 1241. Bereits zuvor hatte dieses eine bedeutende Funktion im Rahmen der städtischen Gerichtsbarkeit inne. Den bürgerlichen Machtanspruch repräsentierte vor allem die zum Markt gerichtete Giebelfassade des Rathauses, die im Untergeschoss von einer Laube mit zwei breiten Bögen durchbrochen wird. Charakteristisch sind vor allem die dreipaßförmigen Fensteröffnungen des zweiten Obergeschosses. Stilistisch standen sie durchaus mit der vermuteten Bauzeit des Gebäudes nach einem großen Stadtbrand im Jahre 1232 im Einklang.
Das Rathaus und vor allem auch die zum Markt gerichtete Fassade mussten im Laufe der Jahrhunderte viele Eingriffe über sich ergehen lassen. Nach einem erneuten Stadtbrand im Jahre 1297 musste das Gebäude renoviert werden. Im Jahr 1350 erfolgte dann unter Leitung von Meister Wilhelm von Hamm ein tiefgreifender Umbau. Anfang des 17. und Mitte des 18. Jahrhunderts mussten Teile des Giebels wegen Baufälligkeit abgenommen und erneuert werden. Seitdem trug die Fassade ein fragmentarisches, bruchstückhaftes Erscheinungsbild mit barockem Abschluss, welches bis 1897 bestand.
Seit 1847 wurde an Stelle des Alten Rathauses ein Neubau erwogen. Die Pläne und Überlegungen hierzu zogen sich über Jahrzehnte hin und wurden schließlich mit der zunehmenden Bedeutung des Denkmalschutzes verworfen. 1897 bis 1899 erfolgte schließlich nach Plänen des Stadtbaurats Friedrich Kullrich die tiefgreifende Restaurierung des Rathauses, wobei die Marktfassade als Treppengiebel recht frei nach historischen Vorbildern nachempfunden wurde. Die älteste Darstellung des Rathauses, die eine derartige Giebelgestaltung bezeugt, stammt von einem Kupferstich Detmar Mulhers mit einer Stadtansicht Dortmunds von 1610.
Initiativen für den Wiederaufbau
Bemühungen für eine Rekonstruktion des Rathauses gab es bereits in den 1970er Jahren, die aber keine politische Mehrheit erlangen konnten. Seit 2018 nahm eine Bürgerinitiative rund um Björn Wrocklage und Lucas Kaufmann die Rekonstruktionsideen wieder auf, um sie zugleich auf die gesamte südliche Marktfront zu erweitern. Es entstand zunächst eine Facebook-Gruppe, die eine breitere Öffentlichkeit auch außerhalb Dortmunds ansprechen sollte. Eine nicht repräsentative Umfrage der Ruhr Nachrichten unter der Dortmunder Bevölkerung ergab eine Zustimmung von 85 Prozent für das Vorhaben. Als mögliche Nutzung wurde immer wieder die Errichtung eines stadtgeschichtlichen Museums für Dortmund ins Gespräch gebracht.
Doch das Projekt kam zuletzt ins Stocken. Weder konnte die angedachte Gründung eines Vereins umgesetzt werden, noch gibt es eine Website, die über das Vorhaben und ihren Stand zuverlässig informiert. Die Öffentlichkeitsarbeit hat also noch erheblich Luft nach oben. Die beste Quelle zu allen Aspekten des Alten Rathauses in Dortmund ist daher wie so häufig Wikipedia.
Virtuelle Rekonstruktionen
Umso wertvoller sind die digitalen Nachbildungen des Dortmunder Softwareentwicklers Christopher Jung. Jung schuf zahlreiche virtuelle Rekonstruktion rund um den Alten Markt und das Alte Rathaus. Sie basieren auf einer akribischen Recherche in zahlreichen Archiven und können wissenschaftlichen Standards sicher gerecht werden. Besonders aufschlussreich ist der virtuelle Rundgang über den Marktplatz, wie er im Jahre 1909 existierte:
Ob eine Rekonstruktion mittelfristig umzusetzen ist, ist derzeit schwer einzuschätzen. Angesichts des bebauten Grundstücks ist zunächst vielleicht nur an die Wiedererrichtung der Marktfassade zu denken. Eine Vollrekonstruktion erscheint noch in weiter Ferne. Vorbildhaft für eine Fassadenrekonstruktion eines mittelalterlichen Rathauses kann vor allem ein Projekt aus Wesel sein. Einer Bürgerinitiative gelang es 2011, die spätgotisch-flämischen Rathausfassade von 1455 an alter Stelle am Großen Markt der Hansestadt Wesel wiederauferstehen zu lassen.
Was in Frankfurt möglich wurde müsste doch auch in Dortmund möglich werden.
was war denn (angeblich) in frankfurt möglich?
Frage von einem, der lange in Ffm gelebt hat
Ich bin zwar nicht der Gefragte, aber möchte dennoch antworten. Es geht hier um die in Teilen rekonstruierte Altstadt von Frankfurt: https://www.zeilenabstand.net/frankfurts-neue-altstadt-eindruecke-und-tagungsbericht/
Es schmerzt mich als Exil-Dortmunder, dass die eigene Stadtgeschichte in meiner Heimatstadt offenbar so wenig Wertschätzung erfährt. Leider ist es offenbar auch bei den Verantwortlichen der Stadt noch nicht angekommen, dass sicht- und erlebbare Geschichte einem Ort erst ein unverwechselbares Gesicht gibt und daher auch ein wichtiger Standortfaktor ist. Dortmund ist mehr als Fußball und „Ruhrpott-Romantik“. Dortmund war einst eine wichtige Reichs- und Hansestadt. Wo sind die sichtbaren Spuren? Eine größere Investition in eine „historische Wurzelbehandlung“ dürfte sich m. E. lohnen.
Mit Ihrer Kritik liegen Sie leider richtig. Nur ist dieses Phänomen nicht nur in Dortmund zu beobachten, sondern zeigt sich in vielen deutschen Städten. Rekonstruktionen sind immer noch rar gesät, obwohl sie den Städten so viel geben könnten. Eine Frage der Kosten ist es in der Regel nicht, denn die Spendenbereitschaft ist bei solchen Projekten meist enorm.