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Die Reiss-Engelhorn-Museen auf kulturpolitischen Abwegen

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Richard Wagner - Reiss-Engelhorn-Museen

Richard Wagner als Zankapfel

Die Reiss-Engelhorn-Museen und deren Träger, die Stadt Mannheim, haben im Juli 2015 zahlreiche Website-Betreiber abgemahnt. Stein des Anstoßes war ein 1862 erstelltes Portraitbildnis des Komponisten Richard Wagner, das in den Mannheimer Museen hängt. Nun geht der Streit in die zweite Runde, denn die Museen reichten Klage ein gegen die Wikimedia Foundation und Wikimedia Deutschland. Insgesamt werfen sie den gemeinnützigen Organisationen bei 17 Bildwerken Urheberrechtsverletzungen vor.

Grundsätzlich werden Kunstwerke 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers gemeinfrei, das heißt die urheberrechtliche Schutzfrist läuft ab. Die rechtliche Auseinandersetzung dreht sich vielmehr um die Frage, ob als Lichtbild entstandene Reproduktionen ebenso dem Urheberrecht unterliegen. Eine Antwort auf diese Problematik gab bereits im Oktober das Amtsgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen 32 C 4607/15. Aus der Urteilsbegründung:

Im Endeffekt werden damit die Wertungen der Gemeinfreiheit nach Ablauf der Schutzfrist von 70 Jahren umgangen. Indem die Klägerin durch eigene Fotografen eigene Lichtbilder fertigen lässt, begründet sie letztlich ein neues Schutzrecht mit einer Schutzdauer von weiteren bzw. neuen 50 Jahren gemäß § 72 Abs. 3 UrhG. Zur Überzeugung des Gerichts werden damit die Wertungen der Gemeinfreiheit umgangen.

Da Gerichte in Deutschland nicht an die bisherige Rechtsprechung gebunden sind, bleibt abzuwarten, ob andere Gerichte der Argumentation aus Nürnberg folgen. Aus Sicht von Rechtsanwalt Thomas Stadler war das Nürnberger Urteil folgerichtig:

Das Problem besteht nämlich einerseits darin, dass über den Umweg des § 72 UrhG die digitale Vervielfältigung eines bereits gemeinfreien Werkes erneut urheberrechtlichen Schutz erlangt. Durch wiederholte fotografische Reproduktion könnte dieser Schutz letztlich auch beliebig verlängert werden und würde im Zweifel niemals enden.

Kultur bleibt auf der Strecke

Unabhängig von der juristischen Dimension, die hier losgetreten wurde, ist das kulturpolitische Signal aus Mannheim noch verheerender. Insgesamt sollen über 40 Betreiber von Websites betroffen sein. Während die Vorgehensweise der Reiss-Engelhorn-Museen bei kommerzieller Nutzung der Lichtbilder noch nachvollzogen werden können, ist dieser Angriff auf gemeinnützige Organisationen in Hinblick auf die Kulturvermittlung alles andere als förderlich. So schloss unter anderem die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte Mitmach-Webseite für Kinder und Jugendliche Musical&Co aufgrund der Abmahnung seine Pforten. Dabei hatte man in Mannheim im Sommer noch bekundet, in solchen Fällen die Abmahnung nicht weiter zu verfolgen. Lippenbekenntnisse!

Das Portal Netzpolitik.org kommt zu folgenden Bewertung der Ereignisse:

Völlig unabhängig von der noch durch die Gerichte zu klärenden urheberrechtlichen Frage, ob die Abmahnungen der Reiss-Engelhorn-Museen rechtmäßig waren, lässt sich die Frage nach der politischen Legitimität der Vorgehensweise klar und eindeutig beantworten: die Vorgehensweise ist falsch und als solche auch im Widerspruch zu diesbezüglichen politischen Willensbekundungen.

Welches Fazit kann man ziehen? Wenn ein öffentlicher Träger einer kulturellen Einrichtung das deutsche Abmahnwesen missbraucht, dann bleibt eben jene Kultur auf der Strecke. Deutschland und Europa brauchen ein Urheberrecht, das solchen Missbrauch verhindert. Bereits jetzt werden der freien Entfaltung und Weitergabe von Wissen unnötige bürokratische Hürden in den Weg gelegt. Erfreulich ist lediglich, dass es Gerichte gibt, die dem fragwürdigen Treiben Einhalt geboten haben. Die Stadt Mannheim und die Reiss-Engelhorn-Museen sollten inne halten und ihr Handeln überdenken. Erfolgreiche und nachhaltige Kulturvermittlung sieht anders aus.

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